Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld, Sperrzeit, Regelsperrzeit, Arbeitsaufgabe, Auflösungsvereinbarung, Abfindung, Übermaßverbot, besondere Härte

 

Leitsatz (amtlich)

Jedenfalls dann, wenn aufgrund der unter Einhaltung der für den Arbeitgeber maßgeblichen Kündigungsfrist vom Arbeitgeber eine zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Kündigung ausgesprochen worden ist, kann die eine Sperrzeit auslösende vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Annahme einer besonderen Härte nach § 119 Abs. 2 S. 1 AFG rechtfertigen, wenn die im Zusammenhang mit der Auflösungsvereinbarung gezahlte Abfindung ohnehin ein Ruhen des Leistungsanspruchs bis zu dem Zeitpunkt bewirkt, zu dem das Arbeitsverhältnis durch die arbeitgeberseitige Kündigung ohnehin geendet hätte

 

Normenkette

AFG § 119 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1988-12-20, Abs. 2 S. 1 Fassung: 1988-12-20, § 119a Nr. 1 Fassung: 1994-07-26, § 110 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1992-12-18; GG Art. 20 Abs. 3

 

Beteiligte

Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Entscheidung vom 17.12.1996; Aktenzeichen S-12/Ar-1482/96)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.09.2001; Aktenzeichen B 7 AL 4/01 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Dezember 1996 geändert. Unter Änderung des Bescheides vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1996 sowie des Bescheides vom 1. August 1996 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger in der Zeit vom 1. Juni 1996 bis zum 11. Juni 1996 Arbeitslosengeld sowie in der Zeit vom 28. Januar 1998 bis zum 1. Juli 1998 Arbeitslosengeld anstelle von Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger 2/3 der außergerichtlichen Kosten der 1. Instanz sowie die gesamten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld um insgesamt 178 Leistungstage. Demzufolge begehrt er diese Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis zum 11. Juni 1996 sowie vom 28. Januar 1998 bis zum 1. Juli 1998.

Der Kläger ist am 15. August 1946 geboren. Er war seit dem 14. Juni 1976 bei Fa. … beschäftigt. Zuletzt war er dort als Betonbauer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTVB) Anwendung.

Der Kläger erzielte in den bis zum 31. Januar 1996 abgerechneten letzten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses – ohne einmalige Zuwendungen – folgende Bruttoarbeitsentgelte:

Juli 1995

4.287,40 DM

August 1995

3.880,85 DM

September 1995

3.733,99 DM

Oktober 1995

4.065,74 DM

November 1995

3.692,03 DM

Dezember 1995

3.429,78 DM

23.089,79 DM.

Mit Schreiben vom 27. November 1995 kündigte Fa. … das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Einhaltung der ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist mit Wirkung zum 31. Mai 1996. Eine Rückfrage des Arbeitsamtes Gießen beim seinerzeitigen Arbeitgeber des Klägers ergab, dass diese Kündigung aus Arbeitsmangel erfolgt war.

Im Anschluss an diese Kündigung unterbreitete Fa. … dem Kläger schriftlich ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages, wonach das Arbeitsverhältnis bereits zum 31. Januar 1996 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000,– DM enden sollte. Im Gegenzug unterbreitete der Kläger, vertreten durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 11. Dezember 1995 seinerseits ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichfalls zum 31. Januar 1996 vorsah, nunmehr gegen Zählung einer Abfindung in Höhe von … 34.000,00 DM. Fa. … stimmte diesem Vorschlag des Klägers zu.

Zum 1. Februar 1996 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Unter dem Datum des 20. Februar 1996 ergingen daraufhin folgende Bescheide:

  1. Bescheid (Bescheid 1) über die Ablehnung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 24. April 1996 wegen des Eintritts einer 12-wöchigen Sperrzeit und über die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 169 Leistungstage (§§ 119, 119a, 110 S. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG),
  2. Bescheid (Bescheid 2) über das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs wegen Zahlung einer Abfindung für die Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 31. Mai 1996 (§ 117 Abs. 2 und Abs. 3 AFG),
  3. Bescheid (Bescheid 3) über die Minderung der Anspruchsdauer um weitere 9 Leistungstage mit der Folge des Ruhens des Leistungsanspruchs nach Ablauf des Ruhenszeitraums gemäss § 117 AFG für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis zum 11. Juni 1996 (§ 117a AFG).

Durch Bescheid vom 1. August 1996 wurde dem Kläger mit Wirkung ab dem 12. Juni 1996 Arbeitslosengeld bewilligt. Der Kläger bezog dieses Arbeitslosengeld zunächst bis zum 14. Oktober 1997 und dann vom 29. Oktober 1997 bis zum 27. Januar 1998. Im Anschluss daran erhielt der Kläger Anschluss-Arbeitslosenhilfe. Seit dem 17. Juli 2000 steht der Kläger wieder in einem Arbeitsverhältnis.

Die gegen die Bescheide vom 20...

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