Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Aufenthalt in der Türkei. Leistungspflicht der deutschen Krankenkassen richtet sich nach türkischem Recht. keine Kostenübernahme einer stationären Behandlung in einer Privatklinik
Orientierungssatz
1. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Leistungsrechts des SGB 5 wird durch Artikel 15 DT-SVA (juris: SozSichAbk TUR) als Spezialnorm für Sachleistungen in der Weise modifiziert, dass sich der Anspruch der Versicherten und damit die Leistungspflicht der Krankenkassen in der Türkei nach türkischem Recht richtet.
2. Die stationäre Behandlung in einer Privatklinik gehört innerhalb der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum der Versicherungsschutz auf der Grundlage eines Auslands-Krankenscheins in der Türkei über den im Inland bestehenden Versicherungsschutz hinausgehen sollte.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 7. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Erstattung von Kosten einer Krankenhausbehandlung in einer Privatklinik in der Türkei.
Die 2002 geborene Klägerin ist über ihre Mutter bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Am 18. März 2014 stellte die Beklagte der Mutter der Klägerin einen Auslandskrankenschein für die Türkei aus. Die Klägerin reiste am 13. April 2014 mit ihrem Onkel in die Türkei. Die Rückreise war für Sonntag, den 20. April 2014 gebucht. Am Donnerstag, den 17. April 2014 bekam die Klägerin laut einem Arztberichtbericht des Privatkrankenhauses D. Fieber, war dehydriert, schwach, hatte einen verringerten Hautunterdruck, ferner wurden Rasselgeräusche in der Lunge festgestellt und sie hatte starke Schmerzen. Auf Veranlassung des Hotelarztes wurde die Klägerin daraufhin mit einem Notarztwagen in die 2,7 km entfernte Klinik D. verbracht und dort bis zum 19. April 2014 behandelt. Am Entlassungstag stellte das Krankenhaus für die Behandlung 6.757,85 Türkische Lira (TL) in Rechnung. Der Onkel der Klägerin beglich die Rechnung vor Ort per Kreditkarte. Am 25. April 2014 beantragte die Mutter der Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Kosten der Auslandskrankenhausbehandlung. Hierzu legte sie die Rechnung des Krankenhauses vom 19. April 2014 vor, in der 14 Abrechnungspositionen aufgelistet waren. Die Beklagte legte die Krankenhausrechnung der Verbindungsstelle nach dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen (DT-SVA), der “Sosyal Güvenlik Kurumu, Baskanligi " in G./Türkei vor. Diese erteilte die Auskunft, dass bei Erbringung der Krankenhausbehandlung als Sachleistung durch den türkischen Sozialversicherungsträger der Klägerin von der Beklagten 1.094,13 TL zu erstatten gewesen wären, was umgerechnet einem Betrag in Höhe von 371,79 € entspricht.
Daraufhin erstattete die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 25. Juli 2014 einen Betrag in Höhe von 371,79 €. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, dass nach Aussage des vor Ort behandelnden Arztes eine sofortige Krankenhausbehandlung notwendig gewesen sei. Da der Gesamtzustand der Klägerin während des Transportes sich hätte verschlechtern können, habe der behandelnde Arzt entschieden, sie in die nur 2,7 km entfernte Privatklinik D. zu verbringen. Die nächste staatliche Klinik befände sich in E-Stadt. Diese liege 15,4 km vom Hotel entfernt. Aufgrund des lebensbedrohlichen Zustandes der Klägerin und der Tatsache, dass ein Transport in die mehr als 5-mal so weit entfernte staatliche Klinik erhebliche Gesundheitsrisiken bedeutet hätte, seien die Behandlungskosten in der Privatklinik in jedem Fall unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) vollständig zu übernehmen. Es sei daher auch der Differenzbetrag der Rechnung der Privatklinik gegenüber dem bisher ausgezahlten Betrag in Höhe von 371,79 € zu erstatten. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung bestehe auch aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Mutter der Klägerin habe einen Auslandskrankenschein beantragt und diesen von der Beklagten mit Schreiben vom 18. März 2014 erhalten. Hierbei sei keine weitere Aufklärung über die Grenzen des Erstattungsanspruchs im Ausland erfolgt. Die Beklagte sei diesbezüglich in der Aufklärungspflicht gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei bestehe ein Sozialversicherungsabkommen, das die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherung an Versicherte des jeweils anderen Staates regele. Nach dem DT-SVA hätten Versicherte, wenn sie während eines vorübergehenden Aufenthaltes in der Türkei erkrankten und ambulante ärztliche oder stationäre Behandlungen benötigten, Anspruc...