Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstreckung einer Befreiung nach § 6 Abs 5 S 2 SGB 6 auf eine befristete berufsfremde Beschäftigung im öffentlichen Dienst nach Unwirksamkeit eines Befreiungsbescheids wegen Aufgabe der der Befreiung zugrunde liegenden Beschäftigung als angestellter Rechtsanwalt
Orientierungssatz
Zur Erstreckung einer Befreiung gemäß § 6 Abs 5 S 2 SGB 6 nach Aufgabe der der Befreiung zugrunde liegenden Beschäftigung als angestellter Rechtsanwalt auf eine befristete berufsfremde Beschäftigung im öffentlichen Dienst, die nach § 47 BRAO ein Berufsausübungsverbot für die rechtsanwaltliche Tätigkeit bewirkt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. März 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstreckung einer erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht auf eine für die Zeit vom 20. April 2015 bis zum 19. April 2016 befristete Tätigkeit für die „Pro Arbeit“ des Landkreises B-Stadt (Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR)).
Der 1966 geborene Kläger ist Jurist und war seit 29. März 1996 Mitglied einer Rechtsanwaltskammer, seit 20. August 1999 Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin und ab 24. September 1999 als Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Berlin versichert. Der Kläger arbeitete ab 8. März 1999 als angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei C. in C-Stadt.
Auf Antrag des Klägers vom 9. März 1999, eingegangen am 11. März 1999, befreite ihn die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit formularmäßig gestaltetem Bescheid vom 15. Dezember 1999 (Bl. 5 der Verwaltungsakte) von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten ab dem 1. Oktober 1999 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Band VI - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Der Bescheid vom 15. Dezember 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2000 wurde durch das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Mai 2001 - hinsichtlich des streitigen Beginns der Befreiung - bestätigt (SG Berlin, S 29 RA 3791/00); der Kläger nahm die Berufung gegen das Urteil am 1. September 2005 zurück (LSG Berlin, L 1 RA 29/01).
Der Kläger beendete seine Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt zum 31. Dezember 2008; er war anschließend bis November 2009 arbeitslos. Der Kläger blieb bis 31. März 2017 sowohl Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin als auch Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin. Eine Meldung von Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgte im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 22. November 2009 nicht (Bl. 100 der Gerichtsakte).
Für eine zum 23. November 2009 aufgenommene bis zum 22. November 2011 befristete angestellte Tätigkeit als Arbeitsvermittler bei der Bundesagentur für Arbeit (C-Stadt) beantragte der Kläger am 1. Februar 2010 die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Mit Bescheid vom 19. Februar 2010 (Bl. 82 der Verwaltungsakte) erstreckte die Beklagte die mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 erteilte Befreiung auf die Tätigkeit als Arbeitsvermittler; im Einzelnen heißt es in dem Bescheid:
„Sie sind aufgrund des Bescheides vom 15.12.99 mit Wirkung ab 01.10.99 für die Beschäftigung als Rechtsanwalt gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) zugunsten des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte Berlin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Die Befreiungsregelung nach der vorgenannten Vorschrift ist nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen, d.h. die Befreiung von der Versicherungspflicht ist auf die jeweilige berufsspezifische Beschäftigung oder Tätigkeit beschränkt (§ 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI); berufsfremde Beschäftigungen oder Tätigkeiten werden von ihr grundsätzlich nicht erfasst. Die Befreiung von der Versicherungspflicht kann sich jedoch dann auf eine vorübergehende berufsfremde Beschäftigung oder Tätigkeit erstrecken, sofern diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und insoweit auch einkommensgerechte Beiträge aus der berufsfremden Beschäftigung oder Tätigkeit an die berufsständische Versorgungseinrichtung gezahlt bzw. von der berufsständischen Versorgungseinrichtung erhoben werden (§ 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI). Es handelt sich bei der von Ihnen ausgeübten Beschäftigung als Vollbeschäftigter bei der Agentur für Arbeit C-Stadt zwar um eine berufsfremde Beschäftigung, auf die sich jedoch die o.g. Befreiung im Rahmen des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI vom 23.11.09 bis 22.11.11 erstreckt, da diese Beschäftigung im Voraus zeitlich begrenzt ist und insoweit einkommensgerechte Beiträge an das berufsständische Versorgungswerk gezahlt werden und die Pflichtmitgliedschaft in berufsständischer...