Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Verfassungsmäßigkeit. Erklärung nach § 428 Abs 1 SGB 3
Orientierungssatz
Durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zugunsten der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB 2 sind Verfassungsrechte auch der Arbeitslosen nicht verletzt, die eine Erklärung nach § 428 Abs 1 SGB 3 abgegeben haben. Ein Anspruch auf Fortzahlung von Leistungen in der bis zum 31.12.2004 gewährten Höhe besteht nicht.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 24. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Es geht in dem Rechtsstreit um die vom Kläger über den 31. Dezember 2004 hinaus begehrte Gewährung von Arbeitslosenhilfe.
Der 1945 geborene Kläger bezog von der Beklagten zuletzt bis 20. Juni 1997 Arbeitslosengeld (Anspruch erschöpft) und im Anschluss Arbeitslosenhilfe bis zuletzt am 31. Dezember 2004, und zwar unter den erleichterten Bedingungen des § 428 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3). Die letzte Bewilligung erfolgte mit Bescheid vom 3. Juni 2004 mit einem Ende des Bewilligungsabschnittes zum 31. Dezember 2004.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2004 beantragte der Kläger sinngemäß die Weiterbewilligung von Arbeitslosenhilfe in bisheriger Höhe über den 31. Dezember 2004 hinaus mit der Begründung, die Einführung des Arbeitslosengeldes 2 zum 1. Januar 2005 führe zu einem Vertrauensmissbrauch, da der neue Leistungsanspruch unter der bisherigen Leistungshöhe bei der Arbeitslosenhilfe liege.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt seien die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung der Leistungsart Arbeitslosenhilfe aufgehoben worden.
Den hiergegen rechtzeitig eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2005 mit der Begründung zurück, gemäß § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB 3 (in der ab 1. April 2004 geltenden Fassung) habe Arbeitslosenhilfe längstens bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden dürfen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 seien die Vorschriften der §§ 190 bis 206 SGB 3 ganz aufgehoben worden. Arbeitslosenhilfe könne mithin ab 1. Januar 2005 nicht mehr gewährt werden. An dessen Stelle trete ab 1. Januar 2005 das Arbeitslosengeld 2. Dieses werde bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nahtlos weitergezahlt.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Mai 2005 Klage erhoben und den bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. Oktober 2005 hat das Sozialgericht Kassel nach Anhörung der Beteiligten die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Bewilligungsentscheidung für den Zeitraum ab 21. Juni 2004 bis zum 31. Dezember 2004 entspreche den bereits ab 1. April 2004 geltenden Bestimmungen des SGB 3. Die Befristung der Arbeitslosenhilfe zum 31. Dezember 2004 sei nicht verfassungswidrig. Auch der Umstand, dass der Kläger die Arbeitslosenhilfe zuletzt unter den erleichterten Bedingungen des § 428 SGB 3 bezogen habe, ändere daran nichts. Denn hierdurch seien lediglich die Rahmenbedingungen bei Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet gehabt hätten, erleichtert worden. Ein besonderer Vertrauensschutz im Hinblick auf Dauer und Höhe der Arbeitslosenhilfe habe daraus nicht resultiert.
Der Gesetzgeber sei in Zeiten knapper Kassen in allen Sozialleistungsbereichen berechtigt, einen strengeren Bedürftigkeitsmaßstab an ausschließlich steuerfinanzierten Leistungen anzulegen. Infolge des im Sozialrecht besonders weiten Gestaltungsspielraums, der auch nur einer eingeschränkten rechtlichen Kontrolle unterliege (vgl. BVerfGE 81, 156, 205 ff.) sei der vom Gesetzgeber mit der Einführung des Sozialgesetzbuches 2. Buch (SGB 2) verfolgte Zweck der Verringerung der derzeitigen Ausgaben für die Leistungen an (Langzeit-)Arbeitslose eine letztendlich rechtlich nicht angreifbare wertungspolitische Entscheidung. Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Prüfung könne nicht sein, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden habe. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie nach Artikel 14 Grundgesetz (GG) durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ab 2005 scheide schon deshalb aus, weil diese Leistung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie unterfalle (BSGE 85, 123, 130; BSGE 91, 94, 103). Es sei auch nicht erkennbar, dass die neue Regelung des SGB 2 gegen das Rechtsstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 3 GG verstoße. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass die nach dem SGB 2 vorgesehenen Leistungen der Höhe nach dem Niveau der bisherigen Sozialhilfeleistungen für erwerbsfähige Sozialhilfebezieher angepasst worden seien. Auch zukünftig werde mit ...