Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Umweg. Tanken. unvorhersehbare Notwendigkeit. objektiver Maßstab
Orientierungssatz
Ein Umweg wegen Auftankens des Pkws steht auch dann nicht gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn zwar der mitgeführte Treibstoffvorrat zur Neige geht, aber noch ausreicht, um den jeweiligen Endpunkt des Weges nach oder von der Arbeitsstätte zu erreichen und dies dem Versicherten auch bekannt ist, so dass seine subjektive Vorstellung und Handlungstendenz gar nicht darauf gerichtet sein kann, mit dem Tanken die Zurücklegung des weiteren Weges zu ermöglichen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 3. August 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Wegeunfall.
Die mittlerweile 26jährige Klägerin war bei der Zeitarbeitsfirma WRE. Deutschland GmbH & Co. KG beschäftigt und an die POU. OPZ-Stadt GmbH als Mitarbeiterin im Lager/Versand ausgeliehen. Am 2. August 2005 verunglückte sie auf der B 54 Richtung OPZ-Stadt kurz vor POW in einer langgezogenen Linkskurve mit ihrem Pkw und zog sich einen instabilen Berstungsbruch des 4. Lendenwirbelkörpers (LWK) zu, der am 3. August 2005 mit einer dorsalen Spondylodese (Verblockung) der LWK 3 bis 5 operativ versorgt wurde.
Die Klägerin gab im Wegeunfallfragebogen der Beklagten am 21. August 2005 an, der Unfall habe sich auf dem Weg zur Arbeit ereignet, die sie von 6.00 Uhr bis 14.00 Uhr verrichte. Sie sei gegen 5.15 Uhr von ihrer Wohnung in A-Stadt-FK. abgefahren und habe auf dem Weg getankt. Die Wegstrecke betrage etwa 20 km und die Fahrzeit etwa 30 Minuten. Im Dienstreisebericht eines Mitarbeiters der Beklagten vom 13. September 2005 heißt es, die Klägerin sei von ihrem Wohnort zunächst nach A-Stadt-VTR zum Tanken gefahren und danach auf der B 54 Richtung OPZ-Stadt. Mit Bescheid vom 24. November 2005 lehnte die Beklagte die Entschädigung des Ereignisses als Arbeits- bzw. Wegeunfall ab. Denn der Unfall habe sich auf einem Abweg ereignet, den die Klägerin von ihrer Wohnung aus zunächst in Gegenrichtung der Arbeitsstelle nach A Stadt-VTR angetreten habe, um dort zu tanken. Vor Erreichen des versicherten Weges von A-Stadt-FK. nach OPZ-Stadt sei sie sodann verunglückt.
Mit Widerspruch vom 5. Dezember 2005 trug die Klägerin vor, sie fahre täglich von ihrem Wohnort FK. zu ihrer Arbeitsstelle in OPZ-Stadt die Strecke über VTR. Diese Strecke sei ihr bekannt, da sie vorher in QWX gewohnt habe. Diese Strecke sei schneller als die Strecke von FK. nach PWE, die sehr eng und kurvig sei. Das Auto habe ihrem Stiefvater gehört und sie nutze dies nur für die Fahrt zur Arbeit. Da sie keine privaten Fahrten mit dem Auto tätige, sei das Tanken keine private, sondern eine Tätigkeit zur Ausübung der Erwerbstätigkeit gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2006 verblieb die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung. Sie verwies darauf, dass vom Wohnort FK. der Klägerin insgesamt drei Straßen in Richtung ihrer Arbeitsstelle in OPZ-Stadt verliefen: Die K 485 in Richtung WRE, die L 3046 in Richtung AQF sowie die L 3278 nach PRT. Der Abweg über VTR habe den Weg zur Arbeit um etwa 7 km verlängert, auch wenn man zugunsten der Klägerin die nördlichste der möglichen direkten Fahrtstrecken über die K 485 zugrunde lege. Unerheblich sei, ob die Strecke über PWE eng und kurvenreich sei, da mindestens zwei weitere Alternativstrecken als direkte Wege zur Verfügung gestanden hätten. Das Tanken bei Antritt des Weges oder unterwegs gehe üblicherweise der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit voraus und stelle eine unversicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar.
Mit Klage vom 2. Mai 2006 wiederholte die Klägerin vor dem Sozialgericht Wiesbaden (SG) ihr Widerspruchsvorbringen und wies darauf hin, sie sei nicht verpflichtet, den kürzesten Weg zur Arbeitsstelle zu benutzen. Die Strecke über VTR sei zeitlich schneller zurückzulegen und dies mit geringerer Unfallgefahr. Im Kammertermin vom 3. August 2007 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, sie habe in VTR getankt, da die Tankstelle in FK. und auch die Tankstelle in POW erst später aufgemacht hätten. Sie habe damals einen Ford Fiesta, Baujahr 1997, gefahren, den ihr Stiefvater etwa eineinhalb Wochen vor dem Unfall gekauft habe und der ihr für den Weg zur Arbeit zur Verfügung gestanden habe. Sie selbst habe das Auto nur benutzt, um damit zur Arbeit zu fahren. Sie habe am Tag vor dem Unfall nicht auf den Tankinhalt geachtet. Erst morgens auf dem Weg zur Arbeit habe sie gesehen, dass sie habe tanken müssen. Die Nadel der Tankuhr habe sich kurz vor dem roten Strich, also kurz vor der Reserve, befunden. Sie habe keine Erfahrung gehabt, wie lange die Reserve reiche und sei da auch eher ängstlich. ...