Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Feststellung der Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche "H" und "B" bei von Geburt an bestehender, an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit mit daraus resultierenden Sprachstörungen nach Abschluss der beruflichen Erstausbildung.
2. Hinsichtlich des Nachteilsausgleichs "H" bleibt es auch nach In-Kraft-Treten des "Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (9) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" vom 19.6.2001 am 1.6.2001 bei der Rechtslage des § 33b Abs 1 S 3 EStG und § 33b Abs 6 S 2 EStG und der hierzu ergangenen gefestigten Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 23.6.1993 - 9/9a RVs 1/91 = BSGE 72, 285 = SozR 3-3870 § 4 Nr 6, BSG vom 12.11.1996 = 9 RVs 9/95 = BSGE 79, 231 = SozR 3-3870 § 4 Nr 15, BSG vom 12.11.1996 - 9 RVs 4/96 = BSGE 79, 235 = SozR 3-1500 § 161 Nr 10, BSG vom 12.11.1996 - 9 RVs 3/96 ).
3. Durch die Einführung des Nachteilsausgleichs "Gl" ist der Gehörlose nicht dem Blinden, dem der Nachteilsausgleich "Bl" zuerkannt wird, in allen Vergünstigungen gleichgestellt worden. Der Senat sieht hierin keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art 3 GG .
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.02.2001; Aktenzeichen S 35 SB 1301/99) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 2001 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Nachteilsausgleiche "H" (hilflos) und "B" (ständige Begleitung).
Die ... 1977 geborene Klägerin zu 1. und der ... 1976 geborene Kläger zu 2. leiden seit ihrer Geburt an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits und daraus resultierenden Sprachstörungen. Die Klägerin zu 1. absolvierte nach dem Besuch einer Schule für Hörgeschädigte vom 29. August 1995 bis zum 31. August 1998 eine Ausbildung zur Tischlerin in dem Berufsbildungswerk Nürnberg für Hör- und Sprachgeschädigte. Seitdem arbeitet sie als Schreinerin im Bereich Bühnenbau im Hessischen Staatstheater in W. Der Kläger zu 2. besuchte ebenso eine Schule für Hörgeschädigte und absolvierte dann vom 30. August 1994 bis 28. Februar 1998 eine Ausbildung zum Industriemechaniker mit der Fachrichtung Geräte- und Feinwerktechnik im Berufsbildungswerk Nürnberg für Hör- und Sprachgeschädigte. In der Folgezeit fand er eine Arbeitsstelle in einer Maschinenfabrik in E.
Mit Bescheid vom 7. Januar 1982 hatte der Beklagte bei der Klägerin zu 1. als Behinderung "an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Störung der Sprachentwicklung" und mit Bescheid vom 7. Januar 1982 bei dem Kläger zu 2. als Behinderung "an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beiderseits mit Sprachstörungen" anerkannt und jeweils einen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (heute Grad der Behinderung -- GdB --) von 100 festgestellt sowie die Nachteilsausgleiche "H", "B", "G" und "RF" anerkannt.
Nach Ermittlungen und Überprüfungen von Amts wegen sowie Anhörung der Kläger (Schreiben vom 22. Oktober 1998 bzw. 12. Januar 1999) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. November 1998 für die Klägerin zu 1. und mit Bescheid vom 23. Februar 1999 für den Kläger zu 2. den GdB mit 100 und die Nachteilsausgleiche "RF" fest. Die Voraussetzungen zur Anerkennung der Nachteilsausgleiche "H", "B" und "G" lägen nach Abschluss der Erstausbildung nicht mehr vor.
Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 1999 (für die Klägerin zu 1.) und vom 15. März 1999 (für den Kläger zu 2.) zurückgewiesen wurde. Mit Abschluss der beruflichen Erstausbildung lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung des Nachteilsausgleiches "H" nicht mehr vor. Bei Erwachsenen sei Taubheit bzw. Taubstummheit allein keine Tatbestandsvoraussetzung für "H". Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Nachteilsausgleich "G") sei im Erwachsenenalter nur bei Störungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung) anzunehmen. Diese lägen bei den Klägern nicht vor. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung (Nachteilsausgleich "B") sei nur festzustellen, wenn die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt sei.
Am 7. April 1999 haben die Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Die Rechtsstreite mit dem Az.: S 35 SB 1301/99 und Az.: S 35/SB 1302/99 hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 12. Februar 2001 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Kläger haben die Ansicht vertreten, mit Abschluss der Berufsausbildung sei keine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung eingetreten. Nur im familiären Bereich könnten sie sich ohne Gebärdendolmetscher verständigen. Ansonsten benötigten sie einen Gebärdendolmets...