Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2109. arbeitstechnische Voraussetzung. bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule. Zimmermann
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tätigkeit des Zimmermanns erfüllt nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2109.
2. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2109 bedingen eine kombinierte Belastung aus dem Tragen schwerer Lasten auf der Schulter und einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Kopfzwangshaltung. Diese Voraussetzungen können nicht im Einzelfall aufgrund eines medizinischen Sachverständigengutachtens, das einen Kausalzusammenhang zwischen HWS-Schädigung und Tragebelastung auf der Schulter auch ohne entsprechende Kopfzwangshaltung für plausibel hält, entfallen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Juli 2007 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt und Anspruch auf Rentenzahlung aus der gesetzlichen Unfallversicherung besteht.
Der 1945 geborene Kläger arbeitete von März 1960 bis einschließlich Oktober 2003 als Zimmerer bei der Firma XY. Holzbau GmbH in B-Stadt.
Seit 1998 befand sich der Kläger wegen schmerzhafter Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule in ambulanter orthopädischer Behandlung. Die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen bescheinigte in ihrem Reha-Entlassungsbericht vom 24. April 2003, dass der Kläger unter einem chronisch-degenerativen Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom leide.
Am 21. Mai 2004 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten an, dass er seit Jahren unter erheblichen Einschränkungen des Bewegungsapparates leide und beantragte, seine Erkrankung als BK im Sinne der BKV anzuerkennen.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten sah die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV als gegeben an (Stellungnahme vom 13. Oktober 2004), nicht jedoch diejenigen für die Feststellung einer BK Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV (Stellungnahme vom 15. Oktober 2004). Zur Begründung verwies der TAD darauf, dass Tätigkeiten, bei denen schwere Lasten auf der Schulter - entsprechend dem Merkblatt von über 50 kg - mit gleichzeitig nach vorn und seitwärts erzwungener Kopfbeugehaltung fortgesetzt zu tragen gewesen seien, nicht in ausreichendem Maße aufgetreten seien. Der Beratungsarzt der Beklagten, Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. NH., stellte in seiner Stellungnahme vom 18. November 2004 u.a. fest, der Kläger leide zwar an einem Halswirbelsäulen(HWS-)Syndrom, einer HWS-belastenden Exposition im Sinne der Ziffer 2109 der Anlage zur BKV, sei er aber nicht ausgesetzt gewesen. Die aktenkundigen bildtechnischen Befunde der HWS verwiesen in Höhe C5/6 und C6/7 neben den Bandscheibenschäden auf deutliche osteochondrotische und spondylotische Veränderungen.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2005 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aufgrund Anerkennung einer BK ab und führte zur Begründung an, dass für eine BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV die medizinischen Voraussetzungen, für eine BK Nr. 2109 die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben seien.
Zur Begründung seines hiergegen gerichteten Widerspruchs vom 28. Februar 2005 legte der Kläger einen Befundbericht des Orthopäden Dr. LM. vom 19. September 2003 vor, wozu die Beklagte eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes NH. vom 7. April 2005 einholte. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 zurück.
Am 29. April 2005 hat der Kläger hiergegen vor dem Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) Klage erhoben. Mit Beschluss vom 27. Juli 2005 hat das Sozialgericht das Verfahren wegen einer BK Nr. 2109 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 1 U 168/05 weitergeführt. Bezüglich der Feststellung einer BK Nr. 2108 (Az.: S 1 U 99/05) ist mit Beschluss vom 10. März 2006 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
Das Gericht hat im Erörterungstermin vom 10. März 2006 Beweis erhoben zur Arbeitssituation des Klägers bei der Firma XY. Holzbau durch Vernehmung des Zeugen V1. XY., Zimmermeister und Unternehmer. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. März 2006 Bezug genommen. Hierzu hat die Beklagte Stellungnahmen ihres Präventionsdienstes vom 19. Juni 2006 und vom 30. Oktober 2006 vorgelegt, wonach die vom Kläger erbrachte Tätigkeit die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Annahme einer BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht erfülle.
Anschließend hat das Sozialgericht ein fachorthopädisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. A., Leiter der Gutachtenambulanz im Orthopädischen Universitätsklinikum GR., vom 21. März 2007 eingeholt. Der Sachve...