Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersteilzeit. Altersteilzeitgesetz. tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. besondere Anwartschaft. vorhergehende Vollzeitbeschäftigung. Verringerung auf die Hälfte. geringfügige Unterschreitung. 10 %. halber Arbeitstag. 2 ½ Stunden

 

Leitsatz (amtlich)

Zusätzlich zu der besonderen Anwartschaft (3 Jahre Vollzeitbeschäftigung in den letzten 5 Jahren) ist erforderlich, dass der ältere Arbeitnehmer die Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigung auf die Hälfte vermindert.

Eine geringfügige Unterschreitung der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit liegt jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn sie sich im Bereich der Arbeitszeit eines halben Tages bzw. von 10 % bewegt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten angewandte Grenze von 2 ½ Stunden rechtmäßig ist.

 

Normenkette

ATG §§ 2, 4

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Urteil vom 09.02.1999; Aktenzeichen S 5 AL 53/98)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.01.2001; Aktenzeichen B 7 AL 98/99 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Februar 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Es geht in dem Rechtsstreit um Ansprüche nach dem Altersteilzeitgesetz vom 23. Juli 1996 (ATG) ab 1. März 1997 und dabei um die Frage der vorhergehenden Vollzeittätigkeit der in Altersteilzeit beschäftigten Arbeitnehmerin … (ältere Arbeitnehmerin = äAn), geboren am 13. August 1940. Am 17. März 1997 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 4 ATG bei Wiederbesetzung mit einem Ausgebildeten. Die Klägerin gab an, dass der Wiederbesetzer … (Wb), geboren am 14. März 1973, am 14. Januar 1997 seine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann beendet habe. Die Wiederbesetzung sei erfolgt am 15. Januar 1997 als Vollzeitkraft mit einer regelmäßigen betrieblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden. Die äAn habe Anspruch auf Altersrente ab 1. September 2000, habe in den letzten 5 Jahren vor Beginn der Altersteilzeit in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden (als Verkäuferin) bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 33,58 Stunden (seit 1. November 1995) und arbeite seit 1. März 1997 18,75 Stunden wöchentlich. Mit Bescheid vom 29. April 1997 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ATG nicht erfüllt seien, da der Arbeitnehmer die Arbeitszeit nicht auf die Hälfte der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit reduziert habe. Hiergegen hat die Klägerin am 2. Juni 1997 Widerspruch eingelegt im wesentlichen mit der Begründung, bis zum 31. Oktober 1995 sei die äAn mit 163 Arbeitsstunden im Monat entsprechend der tariflichen Arbeitszeit und vom 1. November 1995 bis 28. Februar 1996 in Teilzeit (146 Stunden) beschäftigt gewesen. Es werde nicht verlangt, dass der in Altersteilzeit gehende Arbeitnehmer noch unmittelbar vor der Altersteilzeit vollbeschäftigt gewesen sein müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück mit der Begründung, dass die Beschäftigung unmittelbar vor der Altersteilzeit immer eine auf Dauer angelegte Vollzeitbeschäftigung gewesen sein müsse.

Die äAn habe jedoch unmittelbar vor der Altersteilzeit wöchentlich nur 33,58 Stunden gearbeitet und damit nicht in Vollzeit mit 37,5 Stunden.

Gegen den am 8. Dezember 1997 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am Montag, dem 12. Januar 1998 Klage erhoben.

Mit Urteil vom 9. Februar 1999 hat das Sozialgericht Gießen der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Unterschreitung der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden um 3,92 Stunden stelle eine geringfügige Unterschreitung i.S. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ATG dar und sei deshalb unbeachtlich. Als unbeachtlich werde jede Unterschreitung bis zu 15 % der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit angesehen. Eine feste „Geringfügigkeitsgrenze” von 2 ½ Stunden werde dem Umstand nicht gerecht, dass sich nach den gängigen Tarifverträgen die tariflichen Arbeitszeiten zwischen 35 und 40 Stunden bewegten. Gegen das ihr am 26. Februar 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. März 1999 Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor, das ATG sehe die Einbeziehung von Teilzeitbeschäftigten nicht vor. Eine vom Gesetzgeber akzeptierte geringfügige Unterschreitung der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit werde von der Beklagten bis zu 2 ½ Stunden gesehen. Die vom Sozialgericht vorgeschlagene prozentuale Betrachtung sei nicht praktikabel und der Unterschied bei einer Abweichung von 2 ½ Stunden (ausgehend von 40 bzw. 35 Wochenstunden) nur marginal, nämlich 6,25 % zu 7,1 %.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Gießen vom 9. Februar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zur...

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