Leitsatz (amtlich)

1. Der von der Pflichtmitgliedschaft bei der RVO-kasse befreite und bei einer Ersatzkasse gegen Krankheit versicherte Arbeitnehmer hat gegenüber seinem Arbeitgeber Anspruch auf Auszahlung des vollen Beitragsanteiles, den der Arbeitgeber an die eigentlich zuständige RVO-Kasse abzuführen hätte.

2. Ob der Beitragssatz der Ersatzkasse unter oder über demjenigen der an sich zuständigen RVO-Kasse liegt, ist – im Gegensatz zur Höhe desl Zuschusses bei einem freiwillig gegen Krankheit versicherten Arbeitnehmer – rechtlich unbeachtlich.

 

Normenkette

RVO §§ 520, 517, 405, 381

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 03.10.1979; Aktenzeichen S 12 Kr 37/78)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. Oktober 1979 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des von dem Beklagten an den Kläger zu gewährenden Pflichtkrankenkassenbeitrag nach § 520 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung – RVO –.

Der Kläger war vom 1. Juli 1977 bis zum 16. Mai 1980 Angestellter der Beklagten und als Pflichtversicherter nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO Mitglied der Beigeladenen. Mit Schreiben vom 23. August 1977 begehrte er von dem Beklagten die Auszahlung des vollen Arbeitgeberanteils des Pflichtkrankenkassenbeitrags der für ihn an sich zuständigen AOK … Deren Beitragssatz betrage … 11,4 % der Bruttolohnsumme, während dieser bei der Beigeladenen mit 10,7 % festgesetzt sei. Der Beklagte habe daher seinen Arbeitgeberanteil nach einem Beitragssatz in Höhe von 5,7 % anstelle von 5,35 % zu leisten gehabt. Nachdem der Beklagte das Begehren des Klägers wiederholt zurückgewiesen hatte, hat dieser bei dem Sozialgericht Kassel – SG – am 17. Juli 1978 Klage auf dessen Verurteilung zur Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem Ersatzkassen- und Pflichtkrankenkassenbeitrag aus dem Arbeitgeberanteil erhoben. Mit Urteil vom 3. Oktober 1979 hat das SG der Klage statt gegeben und im wesentlichen ausgeführt: Die gesetzliche Regelung sei eindeutig. Mit der Lohn- und Gehaltszahlung habe der Beklagte als Arbeitgeber auch den vollen Beitragsanteil an den Versicherten zu zahlen, wie er dem Beitragssatz der für ihn an sich zuständigen Pflichtkrankenkasse, nämlich der AOK … entspreche. Ob der Beitragssatz der Ersatzkasse höher oder niedriger sei, sei rechtlich ohne Bedeutung. Wegen der Einzelheiten wird auf das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.

Gegen das an ihn am 15. Oktober 1979 abgesandte Urteil hat der Beklagte beim SG am 30. Oktober 1979 Berufung eingelegt.

Es ist im Berufungsverfahren die … Ersatzkasse beigeladen und die Auskunft der AOK … vom 1. Oktober 1980 eingeholt worden. Danach galten bei dieser Krankenkasse als allgemeine Beitragssätze in der Zeit vom 1. Juli 1977 bis zum 31. Juli 1978 11,4 %, vom 1. August 1978 bis zum 31. Dezember 1979 12,6 % und vom 1. Januar bis zum 16. Mai 1980 13,2 %.

Der Beklagte bringt zur Begründung der Berufung vor: Das SG habe die Vorschrift zu positivistisch ausgelegt und den Zusammenhang mit anderen Beitragsvorschriften übersehen. Der Gesetzgeber gehe davon aus, daß im Normalfall Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils die Hälfte des Pflichtkrankenkassenbeitrags einer RVO-Kasse zu zahlen hätten. Für diejenigen Fälle aber, in denen sich ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer für die Mitgliedschaft in einer Ersatzkasse entschieden habe, sei durch § 520 RVO sichergestellt, daß der Arbeitgeber niemals mehr als denjenigen Beitragsanteil aufzubringen habe, als er dem der RVO-Kasse entspreche. Bei der Schaffung des § 520 RVO sei der Gesetzgeber selbstverständlich davon ausgegangen, daß die Ersatzkassenbeiträge höher seien als die der zuständigen RVO-Kasse. Es habe daher kein Bedürfnis bestanden, den völlig theoretischen Fall zu regeln, daß die Ersatzkassenbeiträge einmal niedriger und einmal höher sein könnten als die Beitragssätze der zuständigen RVO-Kasse. Da der Gesetzgeber eine solche atypische Fallgestaltung nicht habe voraussehen können sei eine entsprechende Regelung unterblieben. Insoweit sei § 520 RVO ergänzend auslegungsfähig dahin, daß der Arbeitgeber jeweils nur die Hälfte des tatsächlich geleisteten Krankenkassenbeitrags, begrenzt bis zur Höhe des Beitrags der zuständigen RVO-Kasse, zu zahlen habe. Dies entspreche dem Grundgedanken der paritätischen Beitragszahlung nach § 381 Abs. 1 Satz 1 RVO und habe seinen Niederschlag auch in der neuen Vorschrift des § 405 RVO für freiwillig Versicherte gefunden. Der Hinweis des SG, daß der Gesetzgeber mehrfach Gelegenheit gehabt habe, § 520 RVO zu ändern, sei angesichts seiner Überforderung durch die hinlänglich bekannte Gesetzesflut nicht stichhaltig. Die von dem SG vorgenommene Auslegung sei auch rechts- und sozialpolitisch unerwünscht. Sogenannte Geringverdiener würden sich bereichern können und es bestehe die Gef...

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