Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten im Ausland. Lehrtätigkeit eines Beamten in einer ausländischen Schule. Entsendung. Quasi-Entsendung. Arbeitsmarkturlaub. öffentliches Interesse. dienstliches Interesse. fortbestehende Integration in die deutsche Arbeits- und Erwerbswelt
Orientierungssatz
1. Wegen der bestandssichernden Bedeutung für das System der Altersversorgung ist entscheidend für den Erwerb von Kindererziehungszeiten, dass die Erziehung grundsätzlich im Inland zu erfolgen hat und nur ausnahmsweise im Ausland erfolgen darf (vgl BSG vom 22.2.1995 - 4 RA 43/93 = SozR 3-2600 § 56 Nr 8). In allen Fällen zu berücksichtigender Auslandserziehung muss eine Anknüpfung an das Versicherungsleben im Inland vorhanden sein.
2. Die Fälle der Auslandserziehung in § 56 Abs 3 SGB 6, in welchen die nationalen (bundesdeutschen) Sachnormen zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten anzuwenden sind, folgen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes einem einheitlichen Grundgedanken, der die Gleichbehandlung der Erziehenden trotz der unterschiedlichen Erziehungsorte rechtfertigt: die Erziehenden müssen vor der Geburt oder während der Kindererziehung in derart enger Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben stehen, dass die - typisierende und pauschalierende - Grundwertung des Gesetzes Platz greift, während dieser Zeit seien nicht wegen der Integration in eine ausländische Arbeitswelt, sondern im Wesentlichen wegen der Kindererziehung deutsche Rentenanwartschaften entgangen (vgl BSG vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 = BSGE 71, 227 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4). Es kommt mithin auf die Gleichstellung der Auslandserziehung mit Inlandserziehung an.
3. Die Differenzierung zwischen einem lediglich öffentlichen Interesse und dem dienstlichen Interesse des Dienstherrn an der Auslandstätigkeit stellt keine Ungleichbehandlung bzw Verletzung des Art 3 GG dar. Nach der aufgezeigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes rechtfertigt sich die Anerkennung von Kindererziehungszeiten für im Ausland erzogene Kinder, auch im Falle einer Quasi-Entsendung, aus der während der Auslandstätigkeit bestehen gebliebenen Integration des Entsandten in die deutsche Arbeits- und Erwerbswelt. Von fortbestehender Integration in die deutsche Arbeits- und Erwerbswelt kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine enge Bindung an den inländischen Dienstherrn iS des Fortbestehens des Beschäftigungs- bzw Dienstverhältnisses während der Auslandstätigkeit bestanden hat. Dies setzt voraus, dass lediglich die Hauptpflichten suspendiert gewesen sind und die übrigen Rechte und Pflichten, insbesondere die Anerkennung der Auslandstätigkeit als ruhegehaltfähig, fortbestanden haben. Trifft dies, mangels dienstlichen Interesses an der Auslandstätigkeit nicht zu, so liegt ein sachlicher Grund für die abweichende rechtliche Beurteilung vor.
4. Die negative Tatbestandsvoraussetzung des § 56 Abs 3 S 3 Alt 2 SGB 6 ist erfüllt, wenn beim Hinwegdenken der Versicherungsfreiheit für die Beschäftigung im Ausland Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung hätten gezahlt werden müssen, dh wenn der Ehegatte kollisionsrechtlich dem inländischen Rentenversicherungsstatut unterfällt. Das Bundessozialgericht hat in ausdehnender Auslegung des § 2a Abs 5 S 2 Nr 2 AVG (Vorgängervorschrift zu § 56 Abs 3 S 3 Alt 2 SGB 6) entschieden, dass diese Regelung auf die Ehegatten der Personengruppen zu erstrecken ist, die den in § 6 AVG (jetzt § 5 SGB 6) genannten Gruppen der Versicherungsfreien bzw den von der Versicherungspflicht Befreiten vergleichbar sind, wobei das es die Möglichkeit der dienstrechtlichen Entsendung nur als Ausnahmefall für Beamte oder Gleichgestellte, die an einer Dienststelle des Bundes im Ausland (zB einer amtlichen Vertretung des Bundes) tätig sind, interpretiert. Nach Auffassung des Bundessozialgerichtes sind dieser Personengruppe diejenigen Beamten gleichzustellen, die im Interesse und mit Zustimmung ihres Dienstherrn im Ausland im Rahmen eines Sonderurlaubs tätig werden. Diese sogenannte Quasi-Entsendung muss im Interesse des Dienstherrn liegen und ist von vornherein zeitlich begrenzt. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass dieser Sachverhalt einer Quasi-Entsendung so nahe an dem in § 2a Abs 5 S 2 Nr 2 AVG geregelten Tatbestand liegt, dass eine Anwendung der Vorschrift auf ihn geboten ist (vgl BSG vom 12.7.1990 - 4 RA 49/89 = SozR 3-2200 § 1227a Nr 1; BSG vom 16.8.1990 - 4 RA 4/90 = SozR 3-2200 § 1251a Nr 6; BSG vom 27.9.1990 - 4 RA 30/90). Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung.
5. Eine Entsendung des Erziehenden nach § 56 Abs 3 S 2 SGB 6 iS des § 4 SGB 4 ist dadurch gekennzeichnet, dass der Entsandte im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in einem ausländischen Gebiet im voraus zeitlich begrenzt tätig wird und er wegen der im Ausland ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (hier während der ...