Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH über keine Sperrminorität, ist er an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden und hat er ein wesentliches unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 16. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Klägerin zu 1) zur Nachentrichtung von Beiträgen für die Tätigkeit des Klägers zu 2) als Gesellschafter-Geschäftsführer (im Weiteren: Gesellschafter-GF) im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2014 in Höhe vom 73.988,03 € streitig.

Am 16. April 2014 führte die Beklagte bei der Klägerin zu 1) eine Betriebsprüfung (§ 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes BuchSGB IV) für den Zeitraum vom 7. September 2009 bis zum 30. Juni 2014 durch. Sie stellte dabei u.a. folgendes fest:

Die Klägerin zu 1) wurde am 29. Januar 2009 (Amtsgericht Fulda HRB xxx1) als Unternehmergesellschaft (UG) haftungsbeschränkt vom Kläger zu 2) und einer weiteren Personengesellschaft mit einem Stammkapital in Höhe von 500 € gegründet. Der Kläger zu 2) wurde als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen. Zunächst besaß er einen Anteil am Stammkapital der Klägerin zu 1) in Höhe von 75 %. Gegenstand der Klägerin ist die Beratung, Projektierung, Entwicklung, Vertrieb und Verkauf von IT-Lösungen, die Softwareentwicklung sowie die Entwicklung und Herstellung von Datenbanken und Internetportalen sowie deren Betrieb; des weiteren Online- und Privatagenturdienstleistungen.

Am 7. September 2009 veräußerte der Kläger zu 2) an D. und E. C. jeweils 25 % seines Anteils am Stammkapital der Klägerin zu 1). Der Kläger zu 2) behielt 25 % und die restlichen 25 % des Stammkapitals hielt die weitere Gründungsgesellschafterin.

Am 9. Februar 2012 schlossen die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) einen Geschäftsführervertrag (GF-Vertrag). Es wurde vereinbart, die Vergütung des Klägers zu 2) regele sich über den bereits zwischen der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) geschlossenen Beratungsvertrag (§ 6 Ziff. 1 GF-Vertrag), er sei alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (§ 2 Ziff. 1 GF-Vertrag) und benötige für bestimmte Rechts- und Geschäftsverhandlungen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 2 Ziff. 2 GF-Vertrag), der Kläger zu 2) sei in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei (§ 5 Ziff. 1 GF-Vertrag), auf eine Tantiemenvereinbarung werde verzichtet sowie auf die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld (§ 6 Ziff. 2 und 3 GF-Vertrag).

Die Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1) erhöhte am 14. Februar 2012 ihr Stammkapital von 500 € auf 25.000 €. Die prozentualen Anteile des Klägers zu 2) und der übrigen Gesellschafter blieben unverändert. Nach § 6 Abs. 3 der damaligen Fassung der Satzung der Klägerin zu 1) sind alle Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen zu fassen, soweit nicht durch Gesetz oder Satzung andere Mehrheitsverhältnisse vorgeschrieben sind, wobei jeder Euro eines Geschäftsanteils bei der Beschlussfassung eine Stimme gewährt (§ 6 Abs. 4 der Satzung der Klägerin zu 1).

Am 28. Januar 2014 übernahmen der Kläger zu 2) sowie D. und E. C. den Geschäftsanteil des weiteren Gesellschafters der Klägerin zu 1), F. F. Der Anteil des Klägers zu 2) am Stammkapital der Klägerin zu 1) erhöhte sich damit auf insgesamt 8.250 €, des D. C. auf 8.250 € und des E. C. auf 8.500 €.

Im Rahmen der Betriebsprüfung der Beklagten gab der Kläger zu 2) an, im Jahr 2009 habe er für die Beratungstätigkeit keine Zahlungen erhalten. Laut Einkommenssteuerbescheide erzielte der Kläger zu 2) im Jahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 30.462 €, im Jahr 2011 i.H.v. 55.054 €. Das von der Klägerin zu 1) für den Kläger zu 2) geführte Lohnkonto weist für das Jahr 2013 ein Brutto-Entgelt i.H.v. 69.079 € aus. Laut Entgeltabrechnung der Klägerin zu 1) erzielte der Kläger zu 2) im Dezember 2013 ein Bruttoentgelt i.H.v. 3.793 € und im Juni 2014 i.H.v. 2.793 €.

Nach der Betriebsprüfung am 16. April 2014, einer Besprechung mit der Steuerberaterin der Klägerin zu 1) am 30....

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