Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Vermögenseinsatz. Verwertbarkeit einer Kapitallebensversicherung mit Verwertungsausschluss. keine staatlich geförderte zusätzliche Altersvorsorge. verfassungskonforme Auslegung. keine Härte. angemessene Alterssicherung. offensichtliche Unwirtschaftlichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Verwertbarkeit des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung im Rahmen des SGB 12.

2. Eine Lebensversicherung ist nicht nach § 90 Abs 2 Nr 2 SGB 12 als Schonvermögen zur zusätzlichen Altersversorgung unberücksichtigt zu lassen, wenn es sich dabei nicht um Kapital iS des § 10a EStG oder des 11. Abschnitts EStG (sog Riester-Rente) handelt.

3. Allein die behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung vermag im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB 12 keine allgemeine Härte iS des § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 zu begründen.

4. Bleibt bei der Verwertung einer Lebensversicherung der Rückkaufswert um ca 11 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurück, liegt keine Härte iS des § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 vor.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.08.2011; Aktenzeichen B 8 SO 19/10 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4. September 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Der 1947 geborene, seit 2001 geschiedene Kläger stellte am 5. August 2005, nach Abmeldung seines Maler- und Lackiererhandwerkbetriebes, bei dem Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dabei gab er als monatliche Gesamtkosten für seine 58,93 qm große Mietwohnung inklusive Heizungspauschale mit Warmwasser und 33,00 Euro für eine Garage einen Betrag in Höhe von 423,46 Euro an. Hinsichtlich seines Einkommens verwies er auf seine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 636,48 Euro monatlich und als Vermögen gab er eine Lebensversicherung und ein Kraftfahrzeug (VW Kombi, Erstzulassung 18. Dezember 1991) an. Eingereicht wurde zudem ein Schreiben der C. AG vom 1. September 2005, nach dem der Rückkaufswert seiner Lebensversicherung (Lebensversicherungs-Nr. xxx; Beginn: 1. August 1992; Ablauf: 1. August 2012) zum 1. Oktober 2005 insgesamt 7.938,60 Euro betrage. In einem weiteren Schreiben vom 12. September 2005 bestätigte die C. AG dem Kläger, dass eine Verwertung der Ansprüche aus dem Vertrag vor dem Ruhestand in Höhe von

- zurzeit 11.600,00 Euro,

- maximal 200,00 Euro je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners,

- höchstens 13.000,00 Euro pro Person vertraglich ausgeschlossen sei. Dieser Verwertungsausschluss gelte ab dem 12. September 2005 und könne nicht widerrufen werden.

Mit Bescheid vom 20. September 2005 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach Kapitel 4 des SGB XII an den Kläger ab. Dies wurde damit begründet, dass der Kläger nicht bedürftig sei, da er seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten könne, da er über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 7.938,60 Euro verfüge.

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2005 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass der Rückkauf seiner Lebensversicherung vertraglich ausgeschlossen sei. Zudem stehe ihm ein Freibetrag von 11.600,00 Euro zu; dieser werde durch den Rückkaufswert nicht überschritten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2005 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger verfüge über eine Lebensversicherung mit einem Wert von 7.938,60 Euro. Davon müsse ein Freibetrag in Höhe von 2.600,00 Euro abgezogen werden. Der im Rahmen der Widerspruchsbegründung angeführte Freibetrag in Höhe von 11.600,00 Euro errechne sich demgegenüber nur bei Anwendung des SGB II. Vorliegend sei jedoch das SGB XII anwendbar. Von dem verbleibenden Teil der Lebensversicherung mit einem Wert von 5.338,60 Euro könne der Kläger seinen Lebensunterhalt bestreiten. Er habe lediglich einen nicht gedeckten Bedarf von 28,02 Euro monatlich. Dieser ergebe sich aus dem Regelsatzbedarf von 345,00 Euro und den Unterkunftskosten in Höhe von 423,46 Euro. Davon müssten die Erwerbsminderungsrente in Höhe von 636,48 Euro und das Tabellenwohngeld in Höhe von 59,00 Euro abgezogen werden. Außerdem könnten die Garagenmiete in Höhe von 33,00 Euro und ein Anteil der Nebenkosten von 11,96 Euro für Warmwasser nicht berücksichtigt werden. In der Verwertung der Lebensversicherung läge schließlich auch keine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII.

Hiergegen hat der Kläger am 3. Januar 2006 bei dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage erhoben, mit der geltend gemacht wird, dass für die Lebensversicherung ein Verwertungsausschluss vereinbart sei und zudem auch ein höherer Bedarf, als von dem Beklagten anerka...

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