Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Verfügbarkeit bei Teilnahme an einer auswärtigen Bildungsmaßnahme
Orientierungssatz
1. Der objektiven Verfügbarkeit eines Arbeitslosen steht die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme mit ganztägigem Unterricht nur dann entgegen, wenn die Teilnahme mit einer tatsächlichen oder rechtlichen Bindung und Verpflichtung zur Teilnahme verbunden ist.
2. Nimmt ein Arbeitsloser an einer länger als 6 Wochen dauernden allgemeinbildenden Maßnahme außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamtes teil, und kehrt er wöchentlich in den Nahbereich zurück, so steht dies der Verfügbarkeit grundsätzlich nicht entgegen.
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.06.1988; Aktenzeichen S-19/Ar-2602/87) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juni 1988 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Dezember 1986 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 1987 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 17. November 1986 bis 2. Mai 1987 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger vom 17. November 1986 bis 2. Mai 1987 Arbeitslosengeld (Alg) zusteht.
Der 1964 geborene Kläger war vom 1. August 1980 bis zum 30. August 1986 als Mess- und Regelmechaniker bei der Firma … GmbH in … beschäftigt. Am 17. November 1986 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt … arbeitslos und beantragte Alg. Auf dem Formular erklärte er, seit dem 22. September 1986 am Aufbaukurs der Heimvolkshochschule … teilzunehmen. Die … liegt in der Nähe von ….
Mit Bescheid vom 9. Dezember 1986 lehnte die Beklagte die Leistungsgewährung mit der Begründung ab, angesichts seiner Teilnahme am Aufbaukurs der … stehe der Kläger der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Der Kläger widersprach am 2. Januar 1987 mit der Erklärung, er sei bereit, den Lehrgang im Falle einer Arbeitsaufnahme sofort abzubrechen und außerdem bei Einladungen des Arbeitsamtes sofort zur entsprechenden Dienststelle zu fahren. Telefonisch und postalisch sei er jederzeit erreichbar.
Mit Bescheid vom 17. Februar 1987 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der Teilnahme an Kursen von Heimvolkshochschulen könne Verfügbarkeit nur anerkannt werden, wenn die betreffende Heimvolkshochschule zumindest im Nahbereich des Arbeitsamtes liege. Dies sei angesichts der Entfernung zwischen dem Arbeitsamtsbezirk … und … nicht der Fall. Hinzukomme, dass der Kläger an einem Aufbaukurs teilnehme für den eine ausnahmsweise Anerkennung der Verfügbarkeit im Gegensatz zu den lediglich sechs Wochen dauernden Grundkursen ohnehin nicht möglich sei. Der Bescheid wurde am 23. Februar 1987 durch Niederlegung an die Adresse des Klägers bei der … zugestellt.
Am 6. Juli 1987 hat der Kläger beim Sozialgericht Osnabrück Klage erhoben und ausgeführt, erstmals am 11. Juni 1987 von dem Widerspruchsbescheid erfahren zu haben. In der Sache legte er dar, die Entfernung zwischen dem Arbeitsamtsbezirk … und der Heimvolkshochschule betrage ca. 250 km und diese Distanz zum Arbeitsamtsbezirk hätte er aufgrund seiner Mobilität jederzeit überwinden können.
Auf Antrag des in der Zwischenzeit nach … umgezogenen Klägers wurde der Rechtsstreit vom Sozialgericht Osnabrück durch Beschluss vom 24. Juli 1987 an das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) verwiesen.
Mit Urteil vom 14. Juni 1988 wies das SG die Klage ab. Sie sei zwar infolge nicht ordnungsgemäß erfolgter Niederlegung fristgerecht erhoben, jedoch unbegründet, da der Kläger wegen des Besuchs des Aufbaukurses in … nicht verfügbar im Sinne des § 103 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gewesen sei. Auf die Entscheidungsgründe im Einzelnen wird Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 9. August 1988 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. September 1988 eingelegte Berufung des Klägers. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte hätte ihn über die Folgen der Teilnahme an dem Kurs in einem 250 km entfernten Ort konkret aufklären müssen, denn dann hätte er den Kurs sofort abgebrochen und somit der Arbeitsvermittlung in subjektiver und in objektiver Hinsicht zur Verfügung gestanden. Nach den Bestimmungen, nach denen der Aufbaukurs absolviert worden sei, wäre er zu nichts verpflichtet gewesen, was einem sofortigen Abbruch im Wege gestanden hätte. Der Kläger sei deshalb im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er den Aufbaukurs sofort abgebrochen und damit die Verfügbarkeit hergestellt. Ferner erklärt der Kläger, sein familiärer Lebensmittelpunkt habe in … gelegen; dort habe seine Verlobte und seine Tochter gelebt. Er habe jedes Wochenende in … verbracht und sei im Übrigen auch des öfteren während der Woche dorthin gefahren. Die Fahrzeit mit seinem ...