Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung. ordentliche Unkündbarkeit. Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist. Möglichkeit der personen- und verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung. Tarifvereinbarung. betriebsbedingte Kündigung nur gegen Abfindung
Leitsatz (amtlich)
§ 143a Abs 1 S 4 SGB 3 ist anwendbar, wenn bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages gegen Abfindung eine personen- und verhaltensbedingte Beendigungskündigung mangels Vorliegen von Kündigungsgründen ausschied und eine betriebsbedingte Beendigungskündigung aufgrund eines ungekündigten Tarifvertrages nur gegen Zahlung einer Abfindung möglich gewesen wäre.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers über den 19. Juli 2006 hinaus und die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 23. September 2006.
Der 1976 geborene, gewerkschaftlich nicht organisierte Kläger war vom 1. September 1997 bis 31. Oktober 1999 zunächst als Auszubildender und dann als Maschinenschlosser bei der D. AG tätig. Im Zeitraum 1. Oktober 1999 bis 30. Dezember 2004 absolvierte er ein Studium an der Universität Kassel. Ab 2. August 2004 war er wieder als Maschinenbediener im Leistungslohn bei der D. AG beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 6. Juli 2004 regelt in den Schlussbestimmungen, dass im übrigen die einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen einschließlich der Arbeitsordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung, soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, gelten. Der Arbeitsvertrag enthält keine kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen.
Der ab 1. Januar 2001 geltende Manteltarifvertrag zwischen der und der IG Metall regelt in § 15 unter 15.1 die Kündigungsfrist für gewerbliche Arbeitnehmer. Bei einer Werkszugehörigkeit bis zu fünf Jahren kann der Arbeitgeber hiernach spätestens zum 15. eines Monats zum Monatsende kündigen.
Zwischen der D. AG und der IG Metall wurde in einem Tarifvertrag zur nachhaltigen Zukunfts- und Beschäftigungsentwicklung (Zukunftstarifvertrag) vom 3. November 2004 für die Werke der D. AG für alle Beschäftigten, die Mitglied der IG Metall sind, in § 3 Beschäftigungssicherung unter 3.1 vereinbart: “Es gilt die Tarifvereinbarung zur Sicherung der Standorte und der Beschäftigung vom 28. September 1995 in der Fassung vom 03. November 2004. Gemäß § 5 dieser Tarifvereinbarung sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen. Die Tarifvereinbarung ist erstmals kündbar zum 31. Dezember 2011.„ Gemäß § 7 des Tarifvertrages konnte dieser frühestens zum 31. Dezember 2011 gekündigt werden. Der Zukunftstarifvertrag wurde seither mehrfach neu abgeschlossen. Er gilt derzeit in der Fassung vom 8. März 2010 und ist erstmals zum 31. Dezember 2014 kündbar.
Die Tarifvereinbarung zur Sicherung der Standorte und der Beschäftigung vom 28. September 1995, gültig ab 1. Januar 1996 (Im Folgenden: “Tarifvereinbarung Sicherung der Standorte„), bestimmt in ihrem § 5: “Für die Laufzeit der Vereinbarung sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Dies gilt nicht für betriebsbedingte Beendigungskündigungen in Verbindung mit sozialverträglichen Maßnahmen (z.B. Altersregelungen durch Sozialplan, sonstigen Abfindungsregelungen)". Diese Tarifvereinbarung konnte erstmals zum 31. Dezember 1997 gekündigt werden.
Im Jahr 2006 wurden bei der D. AG die Viertagewoche abgeschafft und mehrere Tausend Stellen abgebaut. Auch das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde durch schriftlichen Aufhebungsvertrag “in beiderseitigem Einvernehmen auf arbeitgeberseitige Veranlassung„ am 12. Juni 2006 zum 30. Juni 2006 beendet. Ziffer 2 des Aufhebungsvertrages lautet: “Als Gegenleistung für die mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Nachteile sowie zur Kompensation etwaiger Ansprüche, die infolge der Abgeltung gemäß Ziffer 3 nicht mehr geltend gemacht werden können, erhalten Sie eine Abfindung in Höhe von € 102.060 (in Worten: Euro einhundertzweitausendsechzig) (brutto). Weitere Zahlungsansprüche bestehen nicht. Die Zahlung des Betrags erfolgt nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig aus anderen Gründen endet.„ Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages regelt, dass mit Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages mit Ausnahme der sich aus dem Aufhebungsvertrag ergebenden Ansprüche alle Ansprüche des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis oder im Zusammenhang mit dessen Beendigung sowie aus sonstigem Rechtsgrund abgegolten und erledigt sind.
Am 13. Juni 2006 meldete sich der Kläger zum 1. Juli 2006 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zu den Gründen, weswegen er den Aufhebungsvertrag abgeschlossen habe, gab der Kläger in dem Fragebogen der Beklagten an: “Trotz erfolgreich abgeschlossenem Maschinenbaustudiums wurde ich bei D. als Maschinenbediener in der Produktion eingesetzt. Bei mehrmaligen Vorsprachen auf der Personalabteilung konnte mir keine adäquate Stelle angeboten werden. Außerdem wurde mir mitgeteilt, dass sich dieser Zustand auch in näc...