nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Schülerunfall

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zu den vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfassten Veranstaltungen gehören auch die unter schulischer Aufsicht durchgeführten Klassenfahrten.

2. Der Versicherungsschutz auf Klassenfahrten umfasst nicht jede Betätigung während der gesamten Dauer der Klassenfahrt. Vielmehr ist die Rechtsprechung des BSG zum Versicherungsschutz auf Dienst- oder Geschäftsreisen unter Beachtung der Besonderheiten für Klassenfahrten heranzuziehen und zu entscheiden, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls in sachlichem Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit als Schüler steht.

3. Hier bestand unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles Versicherungsschutz, da sich die Schülerin nicht unerlaubt entfernt und zugleich eine unzureichende Aufsicht der Lehrer vorgelegen hat.

 

Normenkette

SGB VII § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 8b

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Urteil vom 18.03.2005; Aktenzeichen S 1 U 1431/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. März 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin am 22. Mai 2000 einen die Leistungspflicht der Beklagten begründenden Arbeitsunfall (Schülerunfall) erlitten hat.

Die 1984 geborene Klägerin nahm als Schülerin der Y-Schule, Gesamtschule des W-Kreises in A-Stadt, an einer Klassenfahrt der Klasse 10 aG zusammen mit der Parallelklasse nach R-Stadt/R-Land teil, die vom 22. Mai 2000 bis 28. Mai 2000 dauerte. Die Schüler waren in der Apartmentanlage Z. in R-Stadt untergebracht. Das Hotel lag am See und war durch eine Straße von Hafen und Strand getrennt. Gegen 19:00 Uhr waren die Schüler nach einer zehnstündigen Fahrt mit dem Reisebus am Hotel angekommen. Anschließend erfolgten Zimmerbelegung und Abendessen. Gegen 22:30 Uhr bis ca. 22:45 Uhr fand eine Besprechung der Lehrer mit den Schülern statt. Danach sollten die Schüler sich zur Nachtruhe begeben. Einige Schüler hielten sich anschließend noch im Restaurant oder der Eisdiele im Bereich des Hotels auf, ein Teil begab sich zum laut Prospekt ca. 100 m entfernt liegenden Seeufer/Strand. Auch die Klägerin war mit ihrer Freundin A. X. zum Strand gegangen, um sich die Füße zu vertreten und frische Luft zu schnappen. Bei der Rückkehr vom Strand wurden die Mädchen gegen 23:30 Uhr beim Überqueren der Straße vor dem Hotel von einem Auto erfasst. Die Klägerin erlitt zahlreiche Brüche, die Freundin Prellungen.

In der Unfallanzeige vom 5. Juni 2000 gab der Schulleiter an, nach Auskunft sei die Schülerin bei einem Vertreten der Beine (Spaziergang) von einem Auto erfasst worden. A. X. erklärte in der sie betreffenden Unfallanzeige vom 5. Juni 2000, ihre Freundin und sie hätten die Straße vom Hafen zum Hotel überqueren wollen und seien dabei von einem schnell sich nähernden Auto erfasst worden. Die Beklagte holte Auskünfte der Schule vom 21. Juni 2000 und 28. September 2000 ein. Der Klassenlehrer der Klasse 10 aG, Studienrat C., erklärte, beide Schülerinnen hätten sich unbemerkt für die Aufsicht und ohne Abmeldung aus der Unterbringung in Richtung See (ca. 50 m) jenseits der Straße entfernt. Die Klasse habe Freizeit im Bereich der Hotelanlage gehabt. Zur zeitlichen Abfolge gab er an, nach der Busankunft in R-Stadt seien gegen 19:15 Uhr Instruktionen durch die Hotelleitung erfolgt, anschließend die Einweisung der Schüler in die Zimmer, dann gegen 20:00 Uhr Beziehen der Zimmer. Gegen 20:30 Uhr seien Mängel gemeldet und gesichtet, um ca. 20:45 Uhr sei die Hotelanlage und die nähere Umgebung inspiziert und ab ca. 21:15 Uhr gegessen worden (Selbstverpflegung). Nach Information und Besprechung für alle Schüler seien die Schüler gegen 22:45 Uhr zur Bettruhe entlassen worden. Gegen 23:30 Uhr sei der Unfall geschehen.

Nachdem die Beklagte den Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt hatte, die Klägerin sei bei dem Unfall einer privaten Tätigkeit nachgegangen, die Klägerin dies bestritten hatte und als Zeugen ihre Eltern und J. W., angegeben hatte, fragte die Beklagte noch einmal bei der Schule nach und holte telefonische Auskünfte bei den Müttern, Frau X. und Frau W., ein. Frau X. gab der Beklagten gegenüber am 23. Mai 2001 an, Bettruhe sei nicht angeordnet worden. Die Lehrer hätten nach 22:45 Uhr im Restaurant gesessen. Sie hätten die Schüler gebeten, sich bei ihnen abzumelden, wenn sie das Hotel verließen. Fast die gesamte Klasse ihrer Tochter und auch die Parallelklasse hätten am Strand von R-Stadt gesessen. Später seien die Klägerin und A. auch dort hingegangen. Sie hätten sich nicht ohne Abmeldung entfernt. Frau W. erklärte am 6. Juni 2001 gegenüber der Beklagten, von einer absoluten Bettruhe sei an dem Abend nicht die Rede gewesen. Die Schüler hätten nach 22:00 Uhr noch die Möglichkeit zum Ausgang gehabt. Ihre Tochter habe ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge