Rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Meldepflicht. Aufforderung des Arbeitsamts. Rückgabe von Antragsunterlagen
Leitsatz (amtlich)
Zum Unfallversicherungsschutz des Arbeitslosen nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO auf dem Weg zur persönlichen Rückgabe der Antragsunterlagen für Arbeitslosengeld zu einem vom Arbeitsamt vergebenen Termin.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 4, § 550 Abs. 1; AFG §§ 132, 165
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.09.1987; Aktenzeichen S-8/U-252/84) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. September 1987 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23. August 1984 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des Klägers vom 2. November 1981 in gesetzlichem Umfang als Arbeitsunfall zu entschädigen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Verletztenrente aus Anlaß eines Verkehrsunfalls vom 2. November 1981.
Der 1938 geborene Kläger meldete sich erstmals am 16. Juni 1981 und nach Abmeldung in Arbeit zum 23. Juni 1981 erneut am 13. Oktober 1981 beim …, arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). In der zuständigen Vermittlungsstelle wurde ihm ein Antragsvordruck für Alg für die Zelt vom 16. bis 22. Juni 1981 und ein Antrag auf Wiederbewilligung des Alg ab 13. Oktober 1981 ausgehändigt. Anschließend wurde ihm bei der Information des Arbeitsamtes (Pförtner) ein Termin zur Rückgabe des Antrags gegeben und auf dem Antragsvordruck für Alg eingetragen. Dort hieß es dann: „Rückgabe des sorgfältig ausgefüllten Antrags… Datum 2.11.81, Uhrzeit 12.30, Zimmer 9. Bei Einhaltung des oben genannten Termins vermeiden Sie unnötiges Warten und eine Verzögerung der Auszahlung!”. Danach folgte der Hinweis: „Das Arbeitsamt benötigt nachstehend erfragte Angaben für die Beurteilung ihres Leistungsanspruchs nach §§ 100 ff. des Arbeitsförderungsgesetzes; Ihre Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch”.
Am 2. November 1981 begab sich der Kläger mit dem Fahrrad von Seiner Wohnung in … zum Zwecke der Antragsrückgabe zum Arbeitsamt …. Kurz vor Erreichen seines Ziels stieß er gegen 11.43 Uhr in der Rechneigrabenstraße/Einmündung Mainstraße mit einer Straßenbahn zusammen. Dabei zog er sich u.a. ein Schädelhirntrauma mit Contusio cerebri und nachfolgender Hirnleistungsschwäche sowie eine Oberschenkelfraktur links zu. Die von ihm selbst noch ausgefüllten und am 26. Oktober 1981 unterschriebenen Antragsvordrucke mit Arbeitsbescheinigungen früherer Arbeitgeber wurden dem Arbeitsamt am 12. November 1981 von seinem Bruder per Post mit der Bemerkung übersandt, daß der Kläger wegen seines schweren Verkehrsunfalls leider nicht persönlich habe erscheinen können, um seinen Antrag auf Alg abzugeben. Das Arbeitsamt bewilligte dem Kläger Alg für die Zeit vom 19. Juni bis 22. Juni 1981 und vom 13. Oktober bis 12. Dezember 1981. Anschließend erhielt er Krankengeld und Übergangsgeld. Seit dem 19. Mai 1983 bezieht er von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen wegen eines am 2. November 1981 eingetretenen Versicherungsfalls Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 5. August 1983).
Im Dezember 1983 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach dem Sachstand, da eine Unfallrente noch nicht bewilligt worden sei. Bei dem Unfall am 2. November 1981 habe es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt, da er zur Arbeitsvermittlung bestellt gewesen sei. Jedenfalls sei er nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 b Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen, da er aufgefordert worden sei, das Arbeitsamt … aufzusuchen und er der Ansicht gewesen sei, er müsse den Termin am 2. November 1981, 12.30 Uhr, unbedingt einhalten. Durch Bescheid vom 23. August 1984 lehnte die Beklagte eine Entschädigung mit der Begründung ab, daß der Kläger zur Zeit des Unfalls nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO versichert gewesen sei. Zwar habe er am Unfalltag der Meldepflicht gemäß § 132 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) unterlegen; er habe das Arbeitsamt jedoch nicht zur Erfüllung dieser Meldepflicht, sondern zur Abgabe seines Antrags aufsuchen wollen. Der Weg, der unternommen werde, um Alg zu beantragen, stehe jedoch nicht unter Versicherungsschutz.
Gegen den seiner Prozeßbevollmächtigten am 29. August 1984 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 1. Oktober 1984 (Montag) beim Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main Klage erhoben. Er hat schriftliche Erklärungen seines Bruders … sowie des … und der … vorgelegt, worin es heißt, daß der Kläger am 2. November 1981 vom Arbeitsamt Frankfurt/Main schriftlich vorgeladen worden und deshalb von seiner Wohnung mit dem Fahrrad dorthin gefahren sei. Wenn das Arbeitsamt den Eindruck vermittle, er müsse zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Behörde erscheinen, so müsse der Versicherungsschutz auch dann gegeben sein, wenn er nur zur Abgabe seines Antrags auf Alg bestellt worden sei. Ein Hinweis darauf, daß der Ant...