Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers bei Entgiftungsbehandlungen

 

Orientierungssatz

Die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers zur Durchführung der Entgiftungsbehandlung eines nicht krankenversicherten, suchtkranken Versicherten wird nicht ausgeschlossen durch die Vorschrift des § 13 Abs 2 Nr 1 SGB 6.

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 27.11.1996; Aktenzeichen S - 8/J - 582/95)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.05.1998; Aktenzeichen B 13 RJ 69/97 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 27. November 1996 aufgehoben, soweit es die Beklagte verpflichtet hat, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Beigeladenen zu 2) die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten.

Der 1962 geborene Beigeladene zu 2) beantragte am 19. März 1993 bei der Beklagten wegen Heroin- und Alkoholabhängigkeit medizinische Leistungen zur Rehabilitation. Er war nicht krankenversichert. Mit Bescheid vom 30. April 1993 entsprach die Beklagte dem Antrag und bewilligte dem Beigeladenen zu 2) eine stationäre Heilbehandlung für die Dauer von voraussichtlich 6 Monaten, die am 26. Juli 1993 begann. In der Zeit vom 12. bis 26. Juli 1993 befand sich der Beigeladene zu 2) in stationärer Behandlung im Psychiatrischen Krankenhaus des Klägers in H. zur Entgiftung, um anschließend die Langzeittherapie in der von der Beklagten bestimmten Rehabilitationseinrichtung durchzuführen. Der Kläger begehrte erstmalig im Juli 1993 von der Beklagten die Erstattung der Kosten für die stationäre Behandlung des Beigeladenen zu 2) in der Zeit vom 12. bis 26. Juli 1993. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit Schreiben vom 28. September und 12. November 1993 ab.

Am 16. Mai 1995 erhob der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Kassel, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Kosten der stationären Entgiftungsbehandlung des Beigeladenen zu 2) geltend machte. Er reichte während des Klageverfahrens den Entlassungsbericht des Psychiatrischen Krankenhauses H. vom 11. August 1993 ein.

Mit Urteil vom 27. November 1996 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, dem Kläger die Kosten der stationären Entgiftungsbehandlung des Beigeladenen zu 2) im Psychiatrischen Krankenhaus H. in der Zeit vom 12. bis 26. Juli 1993 in Höhe von 4.089,40 DM sowie die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Sozialgericht im wesentlichen aus, die Leistungsklage sei zulässig und auch begründet. Der Kläger habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für den stationären Aufenthalt des Beigeladenen zu 2) im Psychiatrischen Krankenhaus H.. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme habe der Beigeladene zu 2) unstrittig insoweit erfüllt, als ihm die Beklagte auf seinen Antrag vom 19. März 1993 jedenfalls eine stationäre Heilbehandlung zur Durchführung einer Drogenentwöhnung gewährt habe. Soweit die Beklagte die Übernahme der Kosten für die vorgeschaltete Entgiftungsbehandlung unter Hinweis auf den Leistungsausschluß nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) ablehne, könne dem nicht gefolgt werden. Insoweit bestehe der vom Kläger geltend gemachte Kostenübernahmeanspruch für die Entgiftungsbehandlung gegenüber der Beklagten zu Recht. Die der Entwöhnungsbehandlung unmittelbar vorgeschaltete Entgiftung im Psychiatrischen Krankenhaus H. sei nicht als Phase der akuten Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit i.S.d. § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI anzusehen. Die stationäre Entgiftungsbehandlung eines Abhängigen, die der stationären Entwöhnung vorausgehe, sei ebenso wie diese eine medizinische Leistung zur Rehabilitation i.S.v. § 15 SGB VI, auf die ein Leistungsanspruch bestehe, wenn der Versicherte nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sei und daher keinen Anspruch gegen eine Krankenkasse habe. Zwar sei nicht zu bestreiten, daß die stationäre Entzugsbehandlung nach Wesen und Rechtsnatur sowohl Krankenhausbehandlung wie auch medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei. Von daher sei unstreitig, daß die stationäre Entziehungsbehandlung primäre Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Im vorliegenden Fall handele es sich indessen um eine andere Fallkonstellation insoweit, als keine gesetzliche Krankenversicherung bestehe und auch der Sozialhilfeträger die Übernahme der Kosten der Entziehungsbehandlung ablehne. Für einen solchen Fall habe das Bundessozialgericht klargestellt, daß der Rentenversicherungsträger auch die Kosten der Entzugsbehandlung zu tragen habe, damit die Rehabilitation insgesamt erfolgversprechend durchgeführt werden könne. In seinem Urteil vom 23. April 1992, Az.: 13/5 RJ 12/90 habe das ...

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