Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbsthilfearbeiten im Wohnungsbau. Entrümpelungsaktion
Leitsatz (amtlich)
Das Bereitstellen von Kleinmöbeln für die Sperrmühlabfuhr begründet keinen UV-Schutz, und zwar auch dann nicht, wenn der Hauseigentümer dadurch Wohnraum freimacht, um diesen später im Rahmen des öffentlich geförderten oder steuerbegünstigten Wohungsbaus zu erweitern.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 15
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.07.1982; Aktenzeichen S 8 U 65/82) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 1982 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten in Höhe von 5.174,34 DM zu erstatten, die sie für den bei ihr gegen Krankheit versicherten Beigeladenen wegen einer Kniescheibenfraktur rechts hat aufwenden müssen (§ 1504 der Reichsversicherungsordnung – RVO –).
Der im Jahre 1948 geborene Beigeladene zeigte dem Beklagten am 21. März 1980 förmlich an, daß er am 31. Januar 1980 in seinem damals leerstehenden Wohnhaus in der H. Str. … in … infolge einer defekten Treppe ins Kellergeschoß gestürzt sei und sich die rechte Kniescheibe gebrochen habe. Am 20. Januar 1981 schriftlich und beim Ordnungsamt der Gemeinde … am 10. Februar 1981 mündlich gab der Beigeladene außerdem an, daß er beabsichtigt habe, in dem 1921 errichteten Wohnhaus durch Aufstockung weiteren Wohnraum zu schaffen. Die Arbeiten seien im September 1980 begonnen worden und würden Ende 1982 beendet werden. Am Unfalltag habe er einige ältere kleinere Möbelstücke, die ihm vom letzten Mieter übergeben worden seien, über die Treppe vom Obergeschoß zum Erdgeschoß getragen, um sie für die nächste Speermüllabfuhr bereit zu stellen. Dabei sei es zum Unfall gekommen. Die Klägerin legte dazu den Anerkennungsbescheid gemäß § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WOBauG) vom 1. Oktober 1980 vor, mit dem diese den Ausbau durch den Beigeladenen als steuerbegünstigt anerkannte. Ferner begehrte sie die Erstattung der Kosten, die sie für den Beigeladenen habe aufwenden müssen. Der Beklagte lehnte dies unter dem 16. Juni 1981 ab, da das Bereitstellen von Möbelstücken aus dem Obergeschoß für die Sperrmüllabfuhr in keinem ursächlichen Zusammenhang mit steuerbegünstigten Selbsthilfearbeiten stehe. Die geplanten Aufstockungsarbeiten seien vom Kreisbauamt H. erst im August 1980 genehmigt worden. Das Entrümpeln hätte auch ohne die Umbauten erfolgen müssen, sollte das Obergeschoß genutzt werden.
Der am 24. Juni 1981 erhobenen Zahlungsklage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) durch Urteil vom 6. Juli 1982 stattgegeben, da der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten gehabt habe. Daß die eigentliche Umbaumaßnahme erst später begonnen und nach dem II. WOBauG als steuerbegünstigt anerkannt worden seien, stehe dem Versicherungsschutz nicht entgegen. Das Bereitstellen von Möbelstücken für die Sperrmüllabfuhr stehe in engem Zusammenhang mit den geplanten Aufstockungsarbeiten. Vor deren Beginn hätten diese zunächst beseitigt werden müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses ihm am 19. August 1982 zugestellte Urteil hat der Beklagte schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 30. August 1982 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren sind zunächst die Auskünfte der Handwerkskammer Rhein-Main (D.) und der Industrie- und Handelskammer D. vom 21. Dezember 1982 und 7. Februar 1983 eingeholt worden. Beide haben darauf hingewiesen, daß in einschlägigen DIN-Vorschriften oder im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe bzw. nach der Verdingsordnung für Bauleistungen das Verbringen von Möbeln aus einem Obergeschoß in das Erdgeschoß nicht als Nebenleistungen bezeichnet ist, dieses aber nach berufsständischer Sicht in den Bereich des Bau- oder Baunebengewerbes gehöre. Wegen der Einzelheiten wird auf die erteilten Auskünfte verwiesen.
Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Entfernung von Kleinmöbeln regelmäßig nicht zu den vom Bauhaupt- und/oder Baunebengewerbe zu erbringenden Leistungen gehöre. Das Freimachen der umzubauenden Räume könne jedenfalls dann nicht zu den versicherten Selbsthilfearbeiten gerechnet werden, wenn noch kein endgültiger Bauplan vorliege. Ein nur möglicher loser Zusammenhang zu versicherten Selbsthilfearbeiten im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO genüge nicht für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich auf die erteilten Auskünfte der Handwerkskammer Rhein-Main und der Industrie- und Handelsk...