Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Gewährung von Arbeitslosengeld im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld kann nach § 147 Abs. 2 SGB 3 nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre vergangen sind.
2. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nicht nur eine Pflichtverletzung der Behörde voraus, sondern verlangt zusätzlich, dass der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil auch durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann (Vergleiche BSG, 31. Januar 2006, B 11a AL 15/05 R, rv 2006, 76).
3. Die persönliche Arbeitslosmeldung stellt einen tatsächlichen Umstand dar, den der Leistungsträger nicht ersetzen kann. Eine Ersetzung von tatsächlichen Umständen, denen gestaltende Entscheidungen des Antragstellers zu Grunde liegen, ist in Abgrenzung zum Amtshaftungsanspruch ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juni 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin - zumindest aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs - Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2007 zu zahlen hat.
Nachdem die Klägerin ihre versicherungspflichtige Beschäftigung wegen einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers zum 31. Januar 2003 beendet hatte, meldete sie sich bei der Beklagten mit Wirkung ab dem 1. Februar 2003 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Daraufhin bewilligte die Beklagte ihr Arbeitslosengeld ab 1. Februar 2003 für längstens 780 Kalendertage. Wegen der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit hob die Beklagte die Bewilligung ab 15. Juli 2004 auf.
Am Dienstag, 23. Januar 2007, nahm die Klägerin am Kundenportal der Agentur für Arbeit C. Kontakt auf. Sie gab an, wegen einer Beendigung ihrer selbständigen Tätigkeit sich erneut mit Wirkung ab 1. März 2007 arbeitslos zu melden. Entsprechend vermerkte die Mitarbeiterin der Beklagten und spätere Zeugin (Zeugin) auf dem Antragsformblatt, das sie der Klägerin aushändigte, Arbeitsuchendmeldung 23. Januar 2007, Arbeitslosmeldung 23. Januar 2007, gegebenenfalls zum 1. März 2007. Auch bestimmte die Zeugin einen Termin bei der Arbeitsvermittlung für den 26. Februar 2007.
Bei dem Beratungsgespräch vom 26. Februar 2007 gab die Klägerin laut Aktenvermerk an, ihr Ladengeschäft sei bis zum 24. Februar 2007 geöffnet gewesen. Deswegen habe sie sich auch bisher nicht um Bewerbungen kümmern können. Hätte sie jedoch gewusst, dass sie sich spätestens am 1. Februar 2007 hätte arbeitslos melden müssen, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu behalten, so hätte sie das Geschäft auch zum 31. Januar 2007 schließen können.
Mit Bescheid vom selben Tage lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab, weil die Klägerin die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erfüllt habe. Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 21. März 2007 bei der Beklagten schriftlich Widerspruch ein. Er führte hierzu aus, die Klägerin habe ihre selbständige Tätigkeit ab 26. Februar 2007 beendet. Die Klägerin habe darauf vertraut, erneut einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, wenn sie ihre selbstständige Tätigkeit innerhalb von drei Jahren aufgebe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Im Ausgangsbescheid sei zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin keinen erneuten Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt habe, weil sie innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 1. März 2007 nicht mindestens 12 Monate in einem versicherungspflichtigen Verhältnis gestanden habe. Auch ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren führe zu keinem anderen Ergebnis. Zwar habe die Klägerin noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld für 250 Tage bei ihrer Vorsprache am 23. Januar 2007 gehabt. Dieser Restanspruch sei jedoch nach § 147 Abs. 2 SGB III erloschen, weil sie sich erst zum 1. März 2007 arbeitslos gemeldet habe. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erlösche danach, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Das sei hinsichtlich dieses Anspruchs zu Lasten der Klägerin mit Ablauf des 1. Februar 2007 eingetreten. Die Klägerin könne auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe sie sich bereits spätestens zum 1. Februar 2007 erneut arbeitslos gemeldet. Selbst wenn ein Verstoß gegen Beratungspflichten anzunehmen sei, könne eine Restitution im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht erfolgen, weil eine fehlende Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung im Gegensatz zu einem Leistungsantrag, der lediglich eine Willenserklärung darstelle, nicht im Wege des sozialrechtlichen Herst...