Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. seelischer Gesundheitserstschaden. Nachweis im Vollbeweis. posttraumatische Belastungsstörung. Fehlen diagnostischer Kriterien. außergewöhnliches Belastungsereignis. Mobbing am Arbeitsplatz
Leitsatz (amtlich)
Zum Nachweis des seelischen Gesundheitserstschadens als Voraussetzung für den Tatbestand des Arbeitsunfalls sowie zu "Mobbing" am Arbeitsplatz als Einwirkung im Sinne eines Arbeitsunfalls.
Orientierungssatz
Zum Begriff des Mobbing am Arbeitsplatz (vgl BAG vom 15.1.1997 - 7 ABR 14/96 = BAGE 85, 56).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Vorfalls vom 15. November 2000 als Arbeitsunfall.
Der 1970 geborene Kläger beantragte am 5. Januar 2004 bei der Beklagten die Anerkennung eines Vorfalls vom 15. November 2000 als Arbeitsunfall. Er gab an, er sei als Sicherheitsmitarbeiter bei der X. AG & Co KG aA in A-Stadt beschäftigt und an diesem Tag als Sicherheitsmitarbeiter zur Überwachung in den A-Stadter U-Bahnen eingesetzt gewesen. Während der Arbeit sei es zu unberechtigter Gewaltanwendung seiner Kollegen gegen U-Bahn-Gäste gekommen. Das habe auch zu einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren geführt, während dessen der Kläger erheblichem Druck durch seine Kollegen ausgesetzt gewesen sei. Miterleben zu müssen, wie der eigene Arbeitsauftrag - Schutz anderer im öffentlichen Verkehrsbereich - durch Kollegen vorsätzlich pervertiert worden sei, habe für den Kläger ein solches Trauma dargestellt, dass er sich davon trotz umfangreicher Behandlungsversuche nicht wieder erholt habe. Er legte einen Bericht des behandelnden Psychologen G. vom 22. Februar 2002, der eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert hatte. Der Kläger legte einen Bericht der Neurologin und Psychiaterin C. vom 10. September 2001 und einen Entlassungsbericht der Fachklinik Berus in Überherrn nach dortigem stationärem Aufenthalt des Klägers vom 6. Juni bis zum 18. Juli 2002 (unter der Diagnose “Posttraumatische Belastungsstörung„) vor. Außerdem zog die Beklagte die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt am Main, Az.: 3530 Js 210044/01 bei.
Mit Bescheid vom 18. August 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 15. November 2000 als Arbeitsunfall ab. Rempeleien und Handgreiflichkeiten seien im Sicherheitsdienst an der Tagesordnung oder zumindest nicht auszuschließen. Ein dort Beschäftigter müsse sich auf solche Situationen seelisch einstellen. Auch wenn es am 15. November 2000 zu einem Fehlverhalten mit nachfolgender Körperverletzung der ehemaligen Kollegen des Klägers gekommen sein sollte, begründe dieses Vorgehen aufgrund der Intensität der Ereignisse keinen Arbeitsunfall im Sinne der Definition. Die vom Kläger erwähnten und angedrohten Repressalien seitens der Kollegen müssten auf arbeitsrechtlichem und strafrechtlichem Wege gelöst werden.
Den hiergegen am 30. August 2004 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2005 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 2. Juni 2005 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhoben.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Oktober 2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es liege schon kein Arbeitsunfall vor. Der Kläger habe außer der behaupteten psychischen Folgeschädigung nichts erlitten; er sei nur Zeuge eines umstrittenen Vorfalls gewesen. Es liege auch keine von der Beklagten zu entschädigende posttraumatische Belastungsstörung als “Unfallfolge„ vor. Es fehle bereits an der Grundvoraussetzung eines objektiv vorliegenden katastrophalen Großschadensereignisses, das die Grenze der psychischen Belastbarkeit des Betroffenen eindeutig überschreite. Soweit es sich um primäre Verletzungen und Einwirkungen auf dritte Personen handele, sei anerkannt, dass eine PTBS nur anzunehmen sei, wenn das psychische Opfer in einer besonderen Beziehung zu den primär Geschädigten gestanden habe. Diese Voraussetzungen seien im Sinne einer wertenden Kausalitätsbetrachtung erforderlich, um die Uferlosigkeit der denkbaren, sich betroffen Fühlenden und Ansprüche Erhebenden einzugrenzen. Eine fahrlässige psychische Schädigung eines Dritten sei grundsätzlich dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen. Die Argumentation des Klägers laufe darauf hinaus, dass der allein erfühlte Eindruck des Klägers maßgeblich sein solle. Es gebe eine Vielzahl von Hinweisen auf psychische Vorerkrankungen des Klägers; es sei nicht vorstellbar, dass ein psychiatrischer Gutachter hier eine sichere Abgrenzung zwischen Vorschaden, Unfallschaden und Begleiterkrankung werde treffen können.
Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 21. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger a...