Entscheidungsstichwort (Thema)
US-amerikanischer Staatsbürger. gewöhnlicher Aufenthalt. Status als „Mitglied des zivilen Gefolges”. Kindergeldanspruch für „Angehörige des zivilen Gefolges”. Unbeachtlichkeit des Status als „Angehöriger des zivilen Gefolges”
Leitsatz (amtlich)
1) Auch ein US-amerikanischer Staatsbürger, der als Zivilbeschäftigter bei einer Organisation tätig ist, die ihrerseits zum „Bestandteil der US-amerikanischen Truppe” gehört, kann seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben und deshalb nicht dem „zivilen Gefolge” dieser Truppe zuzurechnen sein. Sein Ehepartner ist in einem solchen Falle kein „Angehöriger des zivilen Gefolges” und demzufolge auch nicht vom Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz ausgeschlossen.
2) Zur Unbeachtlichkeit des Status als „Angehöriger eines Mitglieds des zivilen Gefolges” nach Beendigung einer im Inland ausgeübten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.
Normenkette
NATOTrStat Art. 1 Abs. 1b; NATOTrStatZAbk Art. 13; BKGG § 1; SGB I § 30 Abs. 2-3
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 31.10.1986; Aktenzeichen S-12/Kg - 9/84) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. Oktober 1986 aufgehoben. Unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Januar 1984 und des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 1984 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin für ihre Kinder N. und P. ab Juli 1983 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin für ihre Kinder ab Juli 1983 Kindergeld zusteht.
Die Klägerin ist am … 1939 geboren. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Die Klägerin ist seit dem 30. April 1963 mit dem am 31. März 1939 geborenen US-amerikanischen Staatsangehörigen J. R. verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Kinder N. (geb. 17. November 1974) und P. (geb. 5. Oktober 1980) hervorgegangen. Beide Kinder besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit; sie besuchen in B. die deutsche Gesamtschule. Die Eheleute R. leben mit ihren Kindern seit ihrer Heirat ohne Unterbrechung in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1974 besitzen sie in B. ein eigengenutztes Einfamilienhaus.
Der Ehemann der Klägerin gehörte bis 1962 der US-Army an; er war zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland stationiert. Nach Beendigung der Dienstzeit in der US-Army verblieb der Ehemann der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war er zunächst bis Juni 1963 bei Firma W. GmbH in B. beschäftigt. Anschließend arbeitete er als Zivilangestellter zunächst im N. in B. und seit 1972 bei der „A. (AAFES)”. Durch die „A.” wird der Bedarf der Mitglieder der US-Army und ihrer Angehörigen in Europa mit nichtmilitärischen Gütern und Bedarfsgegenständen gedeckt. Der Ehemann der Klägerin erhält sein Gehalt in US-Dollar; er entrichtet Steuern zugunsten der US-amerikanischen Steuerbehörde. Der Reisepaß des Ehemannes der Klägerin enthält einen durch eine US-amerikanische Dienststelle angebrachten Stempelaufdruck/der ihn als Mitglied der Truppe bzw. des zivilen Gefolges der Truppen der USA ausweist. Kindergeld oder andere kindergeldähnliche Leistungen erhält weder er noch die Klägerin von AAFES bzw. anderen US-amerikanischen Stellen.
Die Klägerin war zwischen März 1967 und April 1981 als Kantinenhilfe sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluß an dieses Arbeitsverhältnis bezog sie bis zur Anspruchserschöpfung am 25. Mai 1982 Arbeitslosengeld. Nach Ablauf des Arbeitslosengeldbezugs war sie beim zuständigen Arbeitsamt zunächst nicht wieder als arbeitssuchend gemeldet. Dies geschah erstmals wieder ab dem 21. Januar 1988.
Bis Februar 1983 bezog die Klägerin von der Beklagten Kindergeld. Durch Bescheid vom 14. Juli 1983 wurde die Kindergeldbewilligung ab März 1983 aufgehoben.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 1983 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für ihre Kinder N. und P. Durch Bescheid vom 12. Januar 1984 wurde dieser Antrag von der Beklagten abgelehnt. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1984 zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wurde ausgeführt, der Klägerin stehe kein Kindergeldanspruch zu, da nach Artikel 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut die Bestimmungen über soziale Sicherheit – und damit auch das Bundeskindergeldgesetz – für Mitglieder des zivilen Gefolges einer im Bundesgebiet stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte grundsätzlich keine Anwendung fänden. Zu den „Angehörigen” im Sinne dieser Bestimmungen gehörten auch der Ehegatte des Mitglieds des zivilen Gefolges und die dem Mitglied gegenüber unterhaltsberechtigten Kinder. Die Klägerin und deren Kinder seien deshalb von der Kindergeldgewährung ausgeschlossen.
Am 18. Februar 1984 hat die Klägerin dagegen Klage erhoben. Durch Urteil vom 31. Oktober 1986, das der Klägerin ...