Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Nachweis. betriebliche Tätigkeit. Essenseinkauf. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Abholen gereinigter Kleidung. Beweiswert von Erstangaben

 

Orientierungssatz

1. Um einen in der Mittagspause ausnahmsweise nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 versicherten Weg zum Einkauf von Essen feststellen zu können, das zum Erhalt der Leistungsfähigkeit alsbald verzehrt werden soll, müssen Anfang- und Endpunkt dieses Weges sicher feststellbar sein.

2. Auch wenn es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, das immer die Erstangaben von größerem Beweiswert sind, haben diese doch oft - als noch unbeeinflusst erteilte zeitlich früheste Angaben für die Beweiswürdigung eine besondere Bedeutung.

 

Normenkette

SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1; SGG § 110a Abs. 1 S. 1

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Oktober 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Ereignisses vom 30. Juni 2006 als Arbeitsunfall.

Die 1962 geborene Klägerin, war als Sekretärin bei der C-Bank in der C-Straße in Frankfurt am Main beschäftigt. Am 30. Juni 2006 - einem Freitag gegen 12:00 Uhr - stürzte sie eine Treppe zur B-Ebene auf der Hauptwache in Frankfurt am Main hinab und zog sich neben einer Nasenbeinfraktur und Prellmarken im Gesicht eine Halsmarkquetschung bei Halswirbelkörpern 5 und 6 mit inkompletter Querschnittssymptomatik ab Halswirbelkörper 6 zu. Sie wurde zunächst stationär im Universitätsklinikum Frankfurt am Main aufgenommen und dort am 5. Juli 2006 im HWS-Bereich operiert, bevor sie am 12. Juli 2006 in die Abteilung für Rückenmarkverletzte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) - Frankfurt verlegt und bis zum 3. November 2006 dort behandelt wurde.

Am Donnerstag, dem 6. Juli 2006 - dem Tag nach der Operation, suchte die Mitarbeiterin im Besuchsdienst der Beklagten Frau L. (später D.) die Klägerin im Universitätsklinikum Frankfurt am Main auf und führte mit dieser ein ausführliches Gespräch, über das sie den “Bericht im Besuchsdienst„ vom 6. Juli 2006 gefertigt hat, auf den wegen Einzelheiten verwiesen wird. Mit Bescheid vom 13. Juli 2006 lehnte die Beklagte Ansprüche der Klägerin auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 30. Juni 2006 ab, da der Treppensturz unversichert gewesen sei. Die Klägerin habe sich während ihrer Mittagspause auf dem Weg zu einer Reinigung befunden, um dort Kleidungsstücke abzuholen, als sie die Treppe in der Nähe der Frankfurter Hauptwache heruntergestürzt sei. Dabei habe nicht der versicherte Einkauf einer Mittagsmahlzeit sondern die private Verrichtung im Vordergrund gestanden und sie habe zum Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit verrichtet.

Dagegen legte die Klägerin am 1. August 2006 Widerspruch ein mit der Begründung, sie sei zu Fuß von ihrer Arbeitsstelle zur nahe gelegenen Hauptwache gegangen. Ihr Ziel sei das Restaurant H. in der B-Ebene der Hauptwache gewesen, wo sie eine abgepackte Fertigmahlzeit habe einkaufen wollen, wie sie es zuvor schon öfters getan habe. Sie habe den Treppenabgang vor dem Kaufhof benutzen wollen, wobei sie auf der Treppe gestürzt sei und sich verletzt habe. Der Bericht der Frau L. bzw. D. enthalte zahlreiche Fehler. Die Mutter der Klägerin sei erst kurz vor dem Ende des Gespräches dazu gekommen. Sie selbst habe anlässlich des Besuches unter dem Schock der Diagnose und dem Einfluss von Medikamenten gestanden.

Nachdem die Zeugin D. den Besuchsbericht im Aktenvermerk vom 31. Oktober 2006 erläutert hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2007 den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach den Erläuterungen zum Besuchsbericht sei die Klägerin zum Unfallzeitpunkt keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen ausgehend von ihren klaren und bestimmten Erstangaben über die Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt. Es verblieben Zweifel am Vorliegen eines Versicherungsfalles, da nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung die Erstangaben in der Regel unbefangener und daher glaubhafter seien. Deshalb würden gerade die Erstangaben besonders sorgfältig erfragt und dokumentiert wie im Besuchsbericht vom 06.07.2006 geschehen. Der tatsächlich gewählte Weg sei für das später angegebene Ziel, den Besuch der H.-Filiale, nicht plausibel. Um den Bestellschalter in dieser Filiale zu erreichen, hätte die Benutzung des obererdigen Zugangs nahegelegen.

Die Klägerin hat dagegen am 5. März 2007 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie habe die Absicht gehabt, auf dem freitäglichen Markt in der Schillerstraße oder in der neben dem Eingang zum Kaufhof befindlichen Bäckerei etwas zu essen zu kaufen. Dies sei wegen der dort befindlichen Menschenmassen nicht möglic...

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