Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrzeit. Anlaß für die Kündigung. grobfahrlässige Herbeiführung der Arbeitslosigkeit. Kraftfahrer. Berufskraftfahrer. Fahrerlaubnis. Entziehung der Fahrerlaubnis. fahrlässige Tötung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitslosen ist bereits dann Anlaß für die Kündigung des Arbeitgebers gewesen, wenn es in dem Sinne ursächlich für die Kündigung war, daß es nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß damit die Kündigung entfiele; nicht erforderlich ist, daß es das unmittelbare oder beherrschende Motiv der Kündigung war.
2. Ein verkehrswidriges schuldhaftes Verhalten eines (Berufs-)Kraftfahrers, das zur Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zur Unmöglichkeit der weiteren Erfüllung des Arbeitsvertrages führte, ist daher auch dann Anlaß für die Kündigung gewesen, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis erst auf Grund der Entziehung der Fahrerlaubnis kündigte und ohne diese Entziehung die Kündigung nicht vorgenommen hätte.
3. Die Arbeitslosigkeit ist bereits dann grobfahrlässig herbeigeführt, wenn diese Herbeiführung auf Grund des Verhaltens des Arbeitslosen nahelag bzw. sehr wahrscheinlich war und der Arbeitslose sie dennoch leichtfertig außer acht gelassen hat; nicht erforderlich ist, daß die Herbeiführung dieser Folge dem Arbeitslosen ohne jede weitere Überlegung schlechthin klar sein mußte.
4. Bei einem (Berufs)Kraftfahrer, der grob fahrlässig durch einen für ihn leicht vermeidbaren Verkehrsunfall einen Menschen tötete, liegen die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit jedenfalls dann vor, wenn auf Grund vorangegangener Verkehrsverstöße und einer vorangegangenen Fahrerlaubnis sperre die Entziehung der Fahrerlaubnis und als ihre Folge die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit nahelag bzw. sehr wahrscheinlich war.
Normenkette
AFG § 119 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 12.09.1978; Aktenzeichen S 3/Ar - 5/77) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. September 1978 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit vom 10. April 1976 bis 7. Mai 1976.
Der im Jahre 1940 geborene Kläger war seit dem Jahre 1965 als Berufskraftfahrer tätig und dabei seit März 1969 bei der Transport-, Speditions- und Baustoffirma K. G. GmbH in H. beschäftigt. Diese Firma hatte nach den eigenen Angaben des Klägers im Frühjahr 1975 zehn Beschäftigte, die alle den Führerschein besaßen und jeweils eines der insgesamt zehn Fahrzeuge des Unternehmens fuhren.
Am 15. April 1975 verursachte der Kläger mit dem von ihm gesteuerten Lastzug der Firma G. in J. einen Verkehrsunfall, bei dem ein elfjähriges Mädchen getötet wurde. Nach den Feststellungen des Bezirksschöffengerichts in Offenbach/Main beachtete der Kläger infolge grober Fahrlässigkeit nicht den Farbenwechsel einer Fußgängerampel von Grün auf Gelb und Rot und erfaßte mit seinem Fahrzeug das Kind, als dieses bei Grün den Fußgängerüberweg überquerte, während die Ampel für den Kläger Rot zeigte. Er hätte, wie das Schöffengericht nach zweitägiger Vehandlung, u.a. unter Vernehmung von zehn Zeugen feststellte, sein Fahrzeug leicht anhalten können, wenn er, wozu er nach Auffassung des Gerichts besonders verpflichtet war, auf die Ampel geachtet hätte; es handelte sich – so das Schöffengericht – um einen leicht vermeidbaren Unfall. In seinem Urteil vom 26. März 1976 verurteilte das Gericht den Kläger daher wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gleichzeitig wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, dem Kläger vor Ablauf eines Jahres keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Bei dieser Entziehung der Fahrerlaubnis ging das Gericht davon aus, daß der Kläger bereits im Jahre 1970 wegen einer im Straßenverkehr begangenen fahrlässigen Körperverletzung und im Jahre 1973 wegen fortgesetzter, vorsätzlich begangener Verkehrsunfallflucht in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit am Steuer verurteilt und im Jahre 1973 eine Fahrerlaubnis sperre angeordnet worden war. Es nahm an, daß der Kläger sich durch den dritten Verkehrsverstoß innerhalb von fünf Jahren als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Die von dem Kläger eingelegte, auf die Überprüfung des Strafmaßes beschränkte Berufung wurde durch die 4. Große Strafkammer des Landgerichts in Darmstadt mit Urteil vom 11. Oktober 1976 verworfen. Ergänzend hob die Strafkammer hervor, daß der Kläger außerdem im Jahre 1973 noch mit einem Bußgeld belegt worden war, weil er in Gießen in eine Kreuzung eingefahren war, obwohl die für seine Fahrtrichtung maßgebende Signalanlage bereits rotes Licht gezeigt hat...