Verfahrensgang

SG Marburg (Urteil vom 30.03.1999; Aktenzeichen S 3 U 190/98)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.08.2003; Aktenzeichen B 2 U 43/02 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. März 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte einen Unfall des Klägers vom 10. Januar 1996 als Arbeitsunfall zu entschädigen hat.

Der 1953 geborene Kläger war zur Zeit des Unfalls in K. bei M. wohnhaft und bei der Firma W. & F. AG, Tiefbauabteilung, F., als Bauingenieur/Bauleiter beschäftigt. Nach der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft der Firma vom 1. November 2001 war der Kläger seit seinem Wiedereintritt in den Betrieb im April 1987 immer nur auf Baustellen außerhalb von F. eingesetzt. Im August 1995 erfolgte sein Einsatz als Bauleiter auf einer Baustelle in H., der bis April 1996 geplant war. Ab 28. August 1995 bis Mitte Dezember und ab Januar 1996 wohnte der Kläger deshalb in der Woche jeweils von Montag bis Freitag in der Hotelpension „H.” in H., H-Straße. Dort stürzte er am 10. Januar 1996 zwischen 21:00 Uhr und 21:20 Uhr (s. Durchgangsarztbericht und Rettungsdienstbericht – Bl. 8, 50 Verwaltungsakte) beim Begehen der Treppe zu seinem im zweiten Stock gelegenen Zimmer und fiel die Treppe herunter. Hierbei zog er sich ein offenes Schädelhirntrauma mit Felsenbeinfraktur links, Otoliquorrhoe links, Contusions- und Subarachnoidalblutung, Vestibularisausfall und nachfolgender symptomatischer Epilepsie zu. Von den Ärzten wurde am Unfalltag ein Fötor alcoholicus bemerkt. Eine Blutprobe wurde nicht entnommen. Ab 20. Mai 1996 wurde der Kläger bei dem selben Arbeitgeber im Büro als Kalkulator/Arbeitsvorbereiter weiter beschäftigt.

Am Unfalltag hatte der Kläger seinen Angaben zufolge zwischen 18:00 Uhr und 19:00 Uhr seine Arbeit beendet und im Baubüro mit einem Kollegen noch zwei bis drei Cognac getrunken. Anschließend fuhr er mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Richtung seines Hotels (Fahrzeit ca. 30 bis 45 Min.). Zur Einnahme des Abendessens suchte er jedoch zunächst ein in der Nähe an der „M.” gelegenes italienisches Restaurant auf, wo er gegen 19:30 Uhr eintraf. Nach dem Abendessen, bei dem er auch drei Glas Wein trank, begab er sich zur Hotelpension „H.”, wo er dann auf dem direkten Weg zu seinem Zimmer auf der Treppe verunglückte. Die Inhaberin der Hotelpension konnte sich laut Mitteilung an die Beklagte vom 25. April 1996 den Unfall nicht erklären. Die Treppe sei gut zu begehen, sehr gut beleuchtet und dem Kläger genau bekannt gewesen. Seit Aufnahme des Betriebs 1967 sei es noch zu keinem weiteren Sturz gekommen.

Durch Bescheid vom 21. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil es sich bei dem Unfall vom 10. Januar 1996 nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Bei Dienst- oder Geschäftsreisen mit Unterbringung in einem Hotel etc. ende der Versicherungsschutz auf Wegen von und zum Ort der Beschäftigung zwar grundsätzlich nicht bereits mit dem Durchschreiten der Außentür des Hotels, sondern erst mit dem Durchschreiten der Tür des Hotelzimmers, weil der Ort der auswärtigen Unterbringung für den Reisenden einen Ersatz sowohl für die eigene Häuslichkeit als auch für die Arbeitsstätte darstelle. Das gelte jedoch nicht bei einem längeren Aufenthalt am Dienst- oder Geschäftsort, wie er beim Kläger, der zur Zeit des Unfalls bereits über 16 Wochen am auswärtigen Ort gewohnt und gearbeitet habe, vorgelegen habe. In diesen Fällen sei die Unterkunftsstätte – Hotel, Pension, Privatquartier etc. – der Wohnung des Versicherten gleichzusetzen und für die Beurteilung des Versicherungsschutzes die Vorschrift des § 550 Abs. 1 Reichversicherungsordnung (RVO) maßgebend mit der Folge, dass unter Berücksichtigung der Grundsätze zum sog. häuslichen Wirkungskreis der unter Versicherungsschutz stehende Weg zwischen Unterkunft und Arbeitsstätte mit dem Durchschreiten der Außentür des Hotels beginne und ende. Da der Unfall im Hotel auch nicht auf eine besondere Beschaffenheit der Hotelpension oder darauf zurückzuführen sei, dass der Kläger mit den örtlichen Gegebenheiten im Hotel nicht hinreichend vertraut gewesen sei, könne ein Versicherungsschutz auch nicht ausnahmsweise bejaht werden.

Am 25. März 1998 hat der Kläger hiergegen beim Sozialgericht Marburg (SG) Klage erhoben.

Durch Urteil vom 30. März 1999 hat das SG die Beklagte verurteilt, das Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen. Es hat mit dem Kläger die Auffassung vertreten, dass dieser auf einem versicherten Rückweg von der Nahrungsaufnahme verunglückt sei. Auch bei einem längeren auswärtigen Aufenthalt seien die Grundsätze der Rechtsprechung zum Versicherungsschutz auf Wegen von und zur Nahrungsaufnahme während einer Dienst- oder G...

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