Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. örtliche Zuständigkeit. Wechsel von ambulant betreuter Wohnmöglichkeit in stationäre Einrichtung. analoge Anwendung des § 98 Abs 2 S 2 SGB 12

 

Leitsatz (amtlich)

Zur örtlichen Zuständigkeit beim Übertritt von einer ambulant betreuten Wohnmöglichkeit in eine stationäre Einrichtung innerhalb einer "gemischten Einrichtungskette".

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.04.2013; Aktenzeichen B 8 SO 6/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. Januar 2011 aufgehoben und der Beklagte verurteilt, dem Kläger die in der Zeit vom 29. Juni 2007 bis 28. Februar 2009 entstandenen Sozialhilfeaufwendungen in der Sache Q. QQ. in Höhe von 64.945,52 € zu erstatten.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 64.945,52 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Aufwendungen für Sozialhilfeleistungen in Höhe von 64.945,52 €.

Der 1981 geborene leistungsberechtigte Q. QQ. war seit 1994 zunächst vollstationär im St. IH. WW., AK. (Hessen), untergebracht und hatte unmittelbar davor seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in EE. im Gebiet des Beklagten. Ab dem 1. August 2006 wurde er in die Einrichtung des betreuten Wohnens des St. IH. in WW. aufgenommen. Die Kosten der ambulanten Leistungen in der betreuten Wohnmöglichkeit übernahm der Beklagte (u. a. Bescheid vom 23. Januar 2007 für die Zeit vom 29. Dezember 2006 bis 30. Juni 2007). Einen Antrag der gesetzlichen Betreuerin des Leistungsberechtigten vom 9. Januar 2007 auf Übernahme der Kosten für eine stationäre Aufnahme in dem Heilerziehungs- und Pflegeheim RR. in TT. leitete der Beklagte mit Schreiben vom 16. Januar 2007 an den Kläger weiter, da die Zuständigkeit des Klägers für die Tragung der ungedeckten Heimpflegekosten aus Mitteln der Sozialhilfe gem. § 98 Abs. 2 SGB XII gegeben sei. Der Leistungsberechtigte habe im betreuten Wohnen einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet.

Mit Bescheid vom 13. März 2007 lehnte der Kläger, der in Hessen Träger der überörtlichen Sozialhilfe ist, die Übernahme der Kosten gegenüber dem Leistungsberechtigten mit der Begründung ab, er sei örtlich nicht zuständig. In einem weiteren Bescheid vom 7. Mai 2007 wiederholte er diese Entscheidung. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch des Leistungsberechtigten vom 4. Juni 2007, mit dem ein Antrag auf Rücknahme des Bescheids vom 13. März 2007 verbunden war, half der Kläger mit Bescheid vom 26. Juni 2007, ergänzt durch Bescheid vom 18. Juli 2007 unter Hinweis auf § 14 SGB IX ab und übernahm vorläufig die Kosten der stationären Unterbringung in den Heilerziehungs- und Pflegeheimen RR., TT., ab Aufnahme des Leistungsberechtigten am 29. Juni 2007. Die Bewilligung umfasste monatliche Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII (§ 19 Abs. 1 und 5 i. V. m. § 35 SGB XII) zuzüglich eines monatlichen Barbetrages und einer monatlichen Bekleidungspauschale, Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII (§ 19 Abs. 2 i. V. m. §§ 41, 42 SGB XII) ab 1. Juli 2007 zur Deckung des Lebensunterhalts in der Einrichtung sowie Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII (§§ 53, 54 i. V. m. § 19 Abs. 3 und § 92 SGB XII).

Für die vollstationäre Betreuung des Leistungsberechtigten in der Zeit vom 29. Juni 2007 bis zum 28. Februar 2009 wandte der Kläger 40.262,59 € auf, die Leistungen setzten sich zusammen aus dem monatlichen Barbeträgen, insgesamt 1.888 €, der monatlichen Bekleidungsbeihilfe, insgesamt 420,21 €, und den Betreuungskosten in Höhe von 38.928,15 €, abzüglich Kostenbeiträgen aus sonstigem Einkommen und Kosten-/Unterhaltsbeiträgen der Eltern in Höhe von 983,77 €. Für die teilstationäre Betreuung (Werkstatt für behinderte Menschen) im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis 28. Februar 2009 wandte der Kläger 24.682,93 € auf.

Mit weiterem Schreiben vom 3. Juli 2007 zeigte der Kläger dem Beklagten die vorläufige Übernahme der Kosten gemäß § 14 SGB IX an und vertrat weiterhin die Auffassung, dass der Beklagte gemäß § 98 Abs. 5 SGB XII örtlich zuständig sei. In diesem Zusammenhang machte der Kläger einen Erstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 SGB IX geltend. Mit Schreiben vom 13. August 2008 wies der Beklagte den Erstattungsanspruch zurück, er hielt die Zuständigkeit des Klägers für die Heimunterbringung des Leistungsberechtigten gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII für gegeben. Mit Schreiben vom 4. März 2009 machte der Kläger ein weiteres Mal dem Grunde nach einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 14 SGB IX, § 102 SGB X geltend. Der Beklagte wies das Erstattungsbegehren mit Schreiben vom 29. Juni 2009 erneut zurück.

Am 16. Juli 2009 hat der Kläger hierauf beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben, gerichtet auf die Erstattung von in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 28. Februar 2009 entstandenen Sozialhilfekosten für die vollstationäre Betreuung des Leistungsberec...

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