Entscheidungsstichwort (Thema)
Impfschaden. Pockenschutzimpfung. Anfallsleiden. ursächlicher Zusammenhang
Orientierungssatz
Sind nach einer Pockenschutzimpfung weder übliche Impfreaktionen noch Komplikationen nachgewiesen, ist ein frühestens zwei Jahre nach der Impfung aufgetretenes Anfallsleiden (Epilepsie) nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge der Impfung.
Verfahrensgang
SG Gießen (Urteil vom 21.09.1995; Aktenzeichen S-16/Vi-1205/94) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 21. September 1995 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) wegen eines cerebralen Anfallsleidens infolge einer Pockenschutzimpfung.
Die am 21. April 1964 geborene Klägerin wurde nachweislich des Impfausweises des Kreisgesundheitsamtes … vom 3. Mai 1965 am 26. April 1965 mit Erfolg gegen Pocken geimpft. Die Eltern der Klägerin haben angegeben, daß in den Wochen unmittelbar vor oder nach der Impfung für zwei bis drei Tage bei der Klägerin hohes Fieber aufgetreten sei. Der Hausarzt habe einen zweimaligen Hausbesuch gemacht, eine Diagnose habe er nicht genannt. Etwa zwei Jahre später habe der Bruder der Klägerin berichtet, sie sei beim Spielen hingefallen und habe zunächst nicht mehr aufstehen können. Dabei habe es sich vermutlich um einen epileptischen Anfall gehandelt. Im Sommer 1967 – nach anderen Angaben 1968 – sei erstmals ein etwa 10 Minuten dauernder Krampfanfall mit Zuckungen der Beine und Arme sowie Schaum vor dem Mund und Bewußtlosigkeit von Erwachsenen beobachtet worden. Das Ereignis sei damals auf einen Sonnenstich zurückgeführt worden. Ein weiterer, medizinisch dokumentierter Anfall fand im Dezember 1970 statt. Im Zentrum für Kinderheilkunde der Universität … wurde daraufhin eine Grand-mal-Epilepsie diagnostiziert. In der Folge wurde die Klägerin wegen Anfällen bis zum Jahre 1983 von der Kinderklinik in … … der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität … und dem Nervenarzt Dr. … behandelt.
Am 24. März 1992 stellte die Klägerin Antrag nach dem Bundesseuchengesetz auf Versorgung. Der Beklagte zog eine große Anzahl ärztlicher Unterlagen bei, insbesondere von dem Zentrum für Kinderheilkunde der Universität … aus der Zeit vom 16. Dezember 1970 bis 12. März 1974, der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität … vom 7. März 1974 bis 25. Mai 1982 und von Dr. … vom 24. Januar 1983 bis 2. Juli 1985. Weiterhin finden sich Unterlagen der AOK … bei den Verwaltungsakten, dort war die Klägerin zur Zeit der Impfung über ihren Vater familienversichert. Unterlagen des Hausarztes Dr. … waren nicht mehr vorhanden. In einer versorgungsärztlichen Anhörung vom 28. September 1993 gab der Vater der Klägerin an, deren Entwicklung als Säugling sei unauffällig verlaufen. Nach der ersten Pockenimpfung am 26. April 1965 habe sie hohes Fieber bekommen. Der damalige Hausarzt Dr. … sei jedoch wegen des Fiebers gerufen worden. Er sei damals tagsüber bei dem Kind gewesen und danach noch einmal die Nacht darauf. Das Fieber habe ca. zwei bis drei Tage angehalten, ansonsten seien keine weiteren neurologischen Auffälligkeiten festgestellt worden. Keine Zuckungen, Krämpfe, Bewußtseinsstörungen, Schreiattacken, Augenverdrehen oder verstärktes Schlafbedürfnis. Ob und welche Medikamente der Hausarzt damals verordnet habe, wisse er nicht. Die weitere Entwicklung seiner Tochter, nach der Pockenimpfung, sei unauffällig verlaufen. Auffällig sei jedoch gewesen, daß sie morgens ein verstärktes Schlafbedürfnis gehabt habe. So habe sie oft bis 9.00 Uhr geschlafen, obwohl sie abends zur normalen Zeit (ca. 19.00 Uhr) zu Bett gebracht worden sei. In späteren Anhörungen und Schriftsätzen haben hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs die Klägerin und ihre Eltern ausgeführt, daß ihnen nicht mehr erinnerlich sei, ob das Fieber vor oder nach der Impfung aufgetreten sei. Der Nervenarzt … Versorgungsärztliche Untersuchungsstelle …, führte am 19. Januar 1994 in einer nervenärztlichen aktenmäßigen Äußerung aus, daß ein Impfschaden nicht festzustellen sei. Impfkomplikationen hätten nicht stattgefunden. Unterstelle man, daß das von den Eltern berichtete Fieber nach der Impfung aufgetreten sei, so sei es als eine übliche Impfreaktion anzusehen. Das Vorliegen einer Encephalitis, die ein Anfallsleiden habe auslösen können, sei daraus nicht zu schließen. Entsprechend diesen Ausführungen wies der Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 12. April 1994 ab. Den Widerspruch der Klägerin vom 23. April 1994 wies er mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 1994 ebenfalls zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 2. August 1994 Klage vor dem Sozialgericht in … erhoben. Sie ist der Ansicht, ihre Anfallserkrankung habe schon unmittelbar nach der Impfung bestanden, dies beweise ihr gesteigertes Schlafbedürfnis. Möglicherw...