Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit als Voraussetzung der Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall
Orientierungssatz
Lag die Mithilfe eines Vaters bei Eigenbauarbeiten für seine Tochter sowohl ihrer Art als auch dem zeitlichen Umfang nach noch innerhalb dessen, was im Rahmen der Eltern-Kind-Beziehung erwartet werden kann, schließt dies die Annahme einer Wie-Beschäftigung gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 SGB 7 aus.
Leitsatz (amtlich)
1. Werden die geplanten Eigenbauarbeiten nach einem Unfall abgebrochen, ist für die sachliche Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers gemäß § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII nicht entscheidend, wie viele Arbeitsstunden geplant waren, sondern wieviele Arbeitsstunden tatsächlich geleistet wurden.
2. Ein Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit gemäß § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII führt nicht zur Nichtigkeit der Bescheide des unzuständigen Unfallversicherungsträgers (keine sog. absolute Unzuständigkeit).
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 9. Februar 2016 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verpflichtet wurde, das Ereignis vom 3. Juli 2013 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen, und die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht verpflichtet wurde, den Vorfall vom 3. Juli 2013 als Versicherungsfall in der Gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen.
Der 1943 geborene Kläger erlitt laut Unfallanzeige vom 4. Juli 2013 am 3. Juli 2013 einen Unfall, als der von seiner Tochter und ihm geliehene PKW-Anhänger an der Materialausgabe des Baustoffhändlers Fa. C. Baustoff GmbH mit Waschbetonplatten beladen wurde. Die Waschbetonplatten waren für den geplanten Freisitz der Tochter des Klägers bestimmt. Sie wurden von einer Palette, die durch einen Stapler auf Höhe der Anhängerbordwand angehoben wurde, auf den PKW-Anhänger geladen. Der Stapler wurde von einem Mitarbeiter der Fa. C. bedient. Dabei geriet ein noch zusammenhängender Stapel Platten, der in Längsrichtung auf einer Hälfte der Palette lag, ins Ungleichgewicht. Die Palette und der Stapel fielen von der Hubgabel des Staplers auf den linken Fuß des Klägers. Dieser erlitt eine drittgradige offene trimalleoläre OSG-Luxationsfraktur links, die operativ behandelt wurde (vgl. ärztliche Berichte des Klinikums Forchheim, Abteilung Unfallchirurgie, PD Dr. D. u. a. vom 11. Juli 2013 und 9. September 2013, Chirurgische/ Unfallchirurgische Praxis Dr. E. vom 15. August 2013). Nach den weiteren Angaben der Tochter des Klägers vom 3. August 2013 sollten die Eigenbauarbeiten am 3. Juli 2013 begonnen werden. Es sollte nach Ausschachten auf einem Kiesbett ein Freisitz mit Waschbetonplatten mit einer Größe von ca. 5 qm angelegt werden. Der Umfang der Eigenbauarbeiten wurde auf 30 Helferstunden geschätzt, der Kläger habe davon zwei Helferstunden geleistet, ca. 13 Helferstunden hätte er noch erbringen müssen. Als erlernter Beruf des Klägers wurde Industriekaufmann angegeben.
Die durch Mitarbeiter der Beklagten im Rahmen einer sog. Eigenbauprüfung (Az. xxx1) befragte Tochter des Klägers gab im Ermittlungsbericht vom 9. Oktober 2013 als Bauvorhaben die Anlage eines Freisitzes mit ca. 15 qm an. Für den Kläger und seine Ehefrau F. A. sind danach 30 Helferstunden geschätzt worden. Die Tochter des Klägers gab weiter an, dass bis zum Unfallzeitpunkt nur vorbereitende Arbeiten erfolgt seien. Der Kläger habe 2 Stunden für planerische Tätigkeiten incl. Materialauswahl und Einkauf der Materialien erbracht, ebenso seine Ehefrau. Für die weiteren Arbeiten des Klägers (Ausgraben und Erstellen eines Kiesbetts, Verlegen der Platten) veranschlagte seine Tochter 13 Helferstunden. Der Kläger habe frei entscheiden können, wo und wie er die zum Unfall führenden Arbeiten ausführe. Das Vorgehen sei mit ihr als Bauherrin abgesprochen gewesen, der Kläger sei jedoch weisungsfrei gewesen. Die Planung sei in gegenseitiger Absprache erfolgt. Aktuell sei der Kläger Rentner. Aufgrund der räumlichen Entfernung der Familie der Tochter von ihren Eltern seien seit 20 Jahren keine Helferleistungen mehr erbracht worden. Der private Kontakt belaufe sich auf 3 bis 4mal im Jahr bei Familienfeiern und an Weihnachten, telefonischer Kontakt bestehe 1 bis 2mal wöchentlich. Ein Entgelt/eine Entschädigung habe der Kläger für seine Tätigkeit nicht erhalten, er habe durch seine Mitarbeit keinen persönlichen Nutzen gehabt und sich nicht an den Baukosten beteiligt.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass kein Unfallversicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 1 bzw. § 2 Abs. 2 ...