Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeversicherung. Einzelvertrag. Pflegedienst. Pflegegeld. Pflegekraft. Versorgungsvertrag. Anfechtungsklage. Leistungsklage. Verpflichtungsklage. Rechtsweg.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Versorgungsvertrag der Pflegekasse mit Verwandten oder Verschwägerten eines Pflegebedürftigen (bis zum dritten Grad) sowie mit Personen, die mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft leben, ist unzulässig. Dies gilt auch für die Zeit vor dem 25. Juni 1996 (Inkrafttreten des Ausschlußtatbestandes).

2. Ein Rechtsstreit zur Klärung der Frage des Abschlusses eines Versorgungsvertrages mit einer einzelnen Pflegekraft setzt im Rahmen der Zulässigkeit ein Vorverfahren voraus.

 

Normenkette

SGB XI § 37 Abs. 1, § 77 Abs. 1 S. 1; SGG § 51 Abs. 2 S. 2, § 54 Abs. 5, § 78 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.04.1997; Aktenzeichen S 25 P 1369/97)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.03.1999; Aktenzeichen B 3 P 8/98 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. April 1997 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Abschluß eines Einzelvertrages zur Erbringung häuslicher Pflege nach § 77 des Elften Sozialgesetzbuches (SGB XI).

Die am 25. Januar 1941 geborene Klägerin ist die Ehefrau des Mitglieds der Beklagten, W. B. bei dem ein fortgeschrittener Morbus Parkinson sowie der Zustand nach Myokardinfarkt besteht. Die Klägerin, die ganztags berufstätig ist, pflegt ihren Ehemann in der häuslichen Umgebung.

Am 3. Januar 1995 (Eingang bei der Beklagten) stellte die Klägerin formlos bei der Beklagten einen Antrag auf Bezug von Sachleistungen nach dem neuen Pflegeversicherungsgesetz ab dem 1. April 1995 für die Pflege ihres als schwerpflegebedürftig anerkannten Ehemannes. Die Klägerin legte zum Nachweis ihrer Qualifikation als Pflegekraft ihren Ausweis über die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Kinderkrankenschwester vom 31. März 1965 vor sowie eine Bescheinigung der Krankenpflegehochschule des Agnes-Karl-Verbandes über die Teilnahme an einem Ausbildungslehrgang für Unterrichtstätigkeit und Leitung von Krankenpflegeschulen sowie den Abschluß einer entsprechenden Prüfung.

Mit Datum vom 30. Januar 1995 (Eingang bei der Beklagten am 3. Februar 1995) stellte der Ehemann der Klägerin, W. B., einen Formularantrag auf häusliche Pflegehilfe der Stufe III als Sachleistung durch einen Vertragspartner der Pflegekasse.

Mit Bescheid vom 15. Mai 1995 lehnte die Beklagte in einem an die Klägerin adressierten Bescheid die Durchführung eines Einzelvertrages nach § 77 SGB XI ab, und zwar mit der Begründung, nach einer „Grundsatzentscheidung des Bundesministers für Arbeit” würden Angehörige als Versicherungspartner der Pflegekasse ausscheiden. Der Bescheid enthielt die Belehrung, daß innerhalb eines Monats Widerspruch bei der Beklagten erhoben werden könne. Mit ihrem am 1. Juni 1995 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Antrag auf Abschluß eines Vertrags nach § 77 SGB XI werde auch im Namen des Mitglieds der Beklagten, W. B., gestellt. Die Ablehnung des Vertragsabschlusses durch die Beklagte sei nicht gerechtfertigt. Bei der „Grundsatzentscheidung des Bundesministers für Arbeit” handele es sich nur um „Positionspapier”, dem nicht zu folgen sei. Die Klägerin sei Pflegeperson und Pflegekraft in einem. Der Beklagten sei in diesem Falle ein Ermessen nach § 77 SGB XI eingeräumt, ob und mit wem sie den dort vorgesehenen Vertrag abschließen möchte, ohne daß von vornherein Familienangehörige ausgeschlossen sein könnten. Aufgrund der Qualifikation der Klägerin und unter Beachtung des in § 2 SGB XI normierten Grundsatzes, daß dem Pflegebedürftigen ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben in Würde ermöglicht werden solle, sei das Ermessen der Beklagten zum Abschluß auf Null reduziert. Mit Schreiben vom 26. September 1995 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, es sei ihr nicht möglich, einen Betreuungsvertrag nach § 77 SGB XI abzuschließen. Wie bei den Versorgungsverträgen mit Pflegeeinrichtungen gemäß § 73 Abs. 2 SGB XI sei im übrigen auch bei den Verträgen mit einzelnen Pflegekräften nach § 77 SGB XI der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ohne Vorverfahren gegeben. Gegebenenfalls müsse also direkt der Klageweg beschritten werden.

Mit der am 7. November 1995 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klage (– S-25/P 429/95 –) hat der Ehemann der Klägerin, W. B. geltend gemacht, Pflegesachleistung gemäß dem SGB XI sei ihm dadurch zu gewähren, daß „als geeignete Pflegeperson gemäß § 77 SGB XI” die Klägerin anerkannt werde. Mit Schriftsatz vom 6. Februar 1996 hat der Ehemann der Klägerin in dem von ihm geführten Verfahren die Beiladung seiner Ehefrau als in Betracht kommende Pflegekraft zu seinem Verfahren angeregt, nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung (unter anderem vom 9. J...

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