Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Weiterbehandlung. Behandlungsbedürftigkeit. Überprüfung. Krankenhausarzt. Erkenntnismöglichkeit. Vertretbarkeit. Kostenübernahmeanspruch. Verzugszinsen. Vereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Die Zahlungspflicht der Krankenkasse für die stationäre Weiterbehandlung eines Versicherten entfallt nur dann, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt seiner Entscheidung als nicht vertretbar herausstellt.
Der Kostenübernahmeanspruch eines Krankenhausträgers gegen eine gesetzliche Krankenkasse begründet einen Anspruch auf Verzugszinsen, sofern die Beteiligten dies für den Fall des Verzugs ausdrücklich vertraglich festgelegt haben (hier in der Pflegesatzvereinbarung).
Normenkette
SGB V § 112 Abs. 2, § 39 Abs. 1, § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5; KHG §§ 16-17; BPflV § 17 Abs. 1 S. 3; SGB I § 44; SGB IV § 27
Verfahrensgang
SG Kassel (Urteil vom 25.08.1999; Aktenzeichen S 12 KR 905/97) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. August 1999 wird zurückgewiesen.
Auf die Klage des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 9. Februar 2000 zu zahlen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kosten für den stationären Krankenhausaufenthalt des Versicherten F. in der Zeit vom 1. Oktober 1995 bis zum 22. März 1996.
Der am 24. Januar 1975 geborene Versicherte ist Mitglied der Beklagten. Bei ihm ist wegen einer aus dem Krankheitszustand (u.a. intellektuelle Minderbegabung) drohenden erheblichen Fremdgefährdung die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung von Amts wegen angeordnet. Der Versicherte war zunächst von Januar 1994 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht und wurde sodann im März 1995 in das Psychiatrische Krankenhaus M. (PKH M., nunmehr Zentrum für Soziale Psychiatrie M.) verlegt. Der Kläger ist Mitglied der Hessischen Krankenhausgesellschaft e.V. und Träger dieses psychiatrischen Krankenhauses. Der Versicherte war zunächst im Heimbereich des Krankenhauses untergebracht und wurde am 2. Mai 1995 der Beklagten von dem Krankenhaus als Akutpatient aufgrund der Diagnosen „Exazerbation einer paranoiden Schizophrenie, Oligophrenie” gemeldet. Die Beklagte erteilte daraufhin eine Kostenzusage für den stationären Krankenhausaufenthalt bis zum 26. Mai 1995.
Aufgrund des Antrages des Klägers auf Verlängerung der Kostenzusage vom 12. Juni 1995 schaltete die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) ein. Die Ärztin für Neurologie/Psychiatrie Dr. S. P. stellte nach einer Krankenhausbegehung am 9. August 1995, nach Einsicht in die dortige Krankenhausakte, nach ausführlicher Fallbesprechung mit dem stellvertretenden Bereichsleiter, Herrn Dr. L., und nach Untersuchung des Versicherten, fest, es läge eine erheblich erschwerte Behandelbarkeit des Versicherten vor. Aus gutachterlicher Sicht sei davon auszugehen, dass die Behandlungsmöglichkeiten im PKH M. – „jedoch nicht grundsätzlich” – in einem Zeitraum von etwa vier bis sechs Wochen, etwa Ende September, ausgeschöpft seien und dass das Krankenhaus ab diesem Zeitraum bis zu einer möglichen Verlegung in eine speziell auf das Krankheitsbild des Versicherten ausgerichtete Klinik oder Einrichtung die Funktion einer Komplementäreinrichtung übernehmen werde.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 1995 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, ab dem 23. September 1995 werde die Indikation zur stationären Krankenhausbehandlung im PKH M. nicht mehr gesehen. Die abschließende Kostenzusage werde bis einschließlich den 22. September 1995 erteilt. Der Kläger widersprach dieser Einschätzung und legte medizinische Stellungnahmen der behandelnden Klinikärzte, von dem Arzt für Psychiatrie und Leitenden Arzt am PKH M. Oehlenschläger sowie von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie und stellvertretenden Leitenden Arzt am PKH M. Dr. L. vom 2. Januar 1996 und vom 1. November 1995 vor. Die Beklagte holte daraufhin nochmals ein Gutachten des MDK ein. Dr. S. P. stellte in ihrem Gutachten vom 12. Februar 1996 nach einem weiteren Gespräch mit dem behandelnden Arzt Dr. L. und Einsicht in die Krankenakte fest, dass das Krankenhaus ab dem 23. September 1995 die Aufgabe einer Komplementäreinrichtung übernommen habe und stationäre Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgelegen habe.
Nach einem weiteren Schreiben der Beklagten, in dem diese an ihrer Entscheidung festhielt, hat der Kläger am 26. Juni 1997 Klage beim Sozialgericht Kassel auf Übernahme der Krankenhauskosten für die Zeit vom 23. September 1995 bis zum 22. März 1996 erhoben.
Das Sozialgericht hat die Krankengeschichte des Versic...