Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch der Kassenärztlichen Vereinigung wegen überzahlter Abschlagszahlungen an den Vertragsarzt. Berufsausübungsgemeinschaft. Insolvenz
Orientierungssatz
1. Nach § 50 Abs. 2 S. 1 SGB 10 sind Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten. Hierzu zählen u. a. die für kassenärztliche Tätigkeit gezahlten Vergütungen.
2. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) berichtigt die Honorarforderung des Vertragsarztes nach § 45 Abs. 2 S. 1 BMV-Ä bei sachlich-rechnerischer Unrichtigkeit der Honorarforderung. Dabei finden die Vertrauensschutzregelungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB 10 ebenso wie die dort geregelten Fristen keine Anwendung, vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2004 - B 6 KA 34/03 R.
3. Der Erstattungsanspruch der KV wegen überzahlter Abschlagszahlungen an den Vertragsarzt analog § 50 Abs. 2 S. 1 SGB 10 unterliegt nicht den einschränkenden Voraussetzungen der §§ 45 und 48 SGB 10 i. V. m. § 50 Abs. 2 S. 2 SGB 10. Abschlagszahlungen als Vorschuss auf den Honoraranspruch ist ein Rückforderungsvorbehalt immanent, vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - B 6 KA 17/05.
4. Nach der Rechtsprechung des BSG ist es nicht zu beanstanden, wenn ein Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid, der Quartale betrifft, in denen eine Praxis als Berufsausübungsgemeinschaft geführt wurde, nicht an die Berufsausübungsgemeinschaft, sondern an einen der Partner gerichtet wird. Die Partner der Berufsausübungsgemeinschaft können jeder für sich in Anspruch genommen werden.
5. Ist lediglich ein Gesellschafter der Berufsausübungsgemeinschaft in Privatinsolvenz gefallen, so steht dies seiner Inanspruchnahme nicht entgegen, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Berufsausübungsgemeinschaft nicht eröffnet ist. Die Sperrwirkung des § 93 InsO tritt hier nicht ein.
Normenkette
SGB X § 50 Abs. 2, §§ 45, 48; SGB I §§ 37, 42 Abs. 2; SGB V § 69; BMV-Ä § 45 Abs. 2 S. 1; EKV-Ä § 34 Abs. 4 S. 1; InsO § 93; BGB §§ 398, 414
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 7. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits auch für das Berufungsverfahren zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Rückforderung wegen Überzahlung des Honorarkontos im Quartal III/06 in Höhe von 36.560,55 €.
Der Kläger war als Facharzt für Urologie seit 1983 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Seit 1986 führte er mit Dr. C., ebenfalls als Facharzt für Urologie zugelassen, bis zur Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit am 31. März 2006 eine Berufsausübungsgemeinschaft, die bereits zum 1. Januar 2006 an die D. Klinik GmbH veräußert wurde und zum 1. April 2006 in ein von dieser getragenes Medizinisches Versorgungszentrum eingebracht wurde.
Im Dezember 2004 kam es zu einer fristlosen Kündigung des Belegarztvertrages durch das Rote Kreuz Krankenhaus. Gegen diese fristlose Kündigung hat der Kläger die Klage vor den Zivilgerichten erhoben. Dr. C. beendete ebenfalls Anfang 2006 seine vertragsärztliche Tätigkeit und fiel in Verbraucherinsolvenz (seit 1. Juli 2008, Amtsgericht Darmstadt, Az.: az1).
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 16. April 2007 gegenüber dem Kläger einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 36.560,55 € fest. Sie wies auf eine Überzahlung des Honorarkontos ANR xxx1 (der Gemeinschaftspraxis) für das Quartal III/06 in Höhe des Rückforderungsbetrages hin. Hiergegen legte der Kläger am 23. April 2007 Widerspruch ein. Er führte aus, die Abrechnung sei sachlich und inhaltlich nicht korrekt.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2010 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, das Honorarkonto sei bereits im Quartal II/05 aufgrund der Neuerstellung des Honorarbescheides mit einem Betrag von 5.252,40 € zu seinen Lasten abgeschlossen worden. Im Quartal IIl/05 habe sich der Überzahlungsbetrag u. a. durch die geleisteten Abschlagszahlungen von insgesamt 180.000,00 €, einer Honorarkorrektur für das Quartal IIl/05 in Höhe von 13.198,65 € sowie der Restzahlung für das Quartal III/05 in Höhe von 17.374,59 € auf 18.100,09 € erhöht. Im Quartal IV/05 sei das Konto erneut um die Abschlagszahlungen, einem Abschlag auf die Restzahlung und die Überzahlung aus dem Quartal llI/05 belastet worden. Die Überzahlung habe sich auf 21.820,63 € erhöht. Im Quartal I/06 habe sich die Überzahlung auf den Betrag von 32.035,53 € erhöht. Durch die im Quartal II/06 eingebuchte Verrechnung der Teilüberzahlung aus IV/05 in Höhe von 4.525,02 € habe der Überzahlungsbetrag nunmehr 36.560,55 € betragen. In den Quartalen I und II/08 habe sich der Betrag aufgrund der Rückführung der EHV-Fonds auf 19.156,61 € reduziert. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Rückforderungsbetrag rechtmäßig gewesen,
Eine Kopie des Widerspruchsbescheides sandte die Beklagte an Dr. C.
Die Kontoauszüge des Honorarkontos der Berufsausübungsgemeinschaft Dres. C./A. (ANR xxx1) wi...