Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. kein Kostenerstattungsanspruch gem § 111 Abs 1 S 1 BSHG. Anwendung alten Rechts. Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts. Bestimmtheit der Heranziehung zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kostenerstattungspflicht unter Sozialhilfeträgern beschränkt sich auf rechtmäßig erbrachte Leistungen (§ 111 Abs 1 S 1 BSHG; jetzt § 110 Abs 1 S 1 SGB 12). Dabei sind die Anforderungen an die Bestimmtheit der jeweiligen Bewilligungsentscheidung und an eine ggf notwendige Ermessensausübung durch den konkret leistungsgewährenden Träger vergleichsweise großzügig zu handhaben. Das gilt insbesondere, wenn dieser in Kooperation mit dem Hilfeempfänger und vor dem Hintergrund der vor Ort maßgeblichen Verhältnisse und der daran angepassten Verwaltungspraxis um die Stärkung von dessen Möglichkeiten zur Selbsthilfe (hier: Schaffung einer Arbeitsgelegenheit nach § 19 BSHG) bemüht ist.

2. Dabei ist jedoch die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des erstattungsberechtigten Trägers für die Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung zu wahren; diese begründet eine entsprechende Obliegenheit auch gegenüber dem erstattungspflichtigen Sozialhilfeträger. Diese Verantwortlichkeit kann nicht durch eine hinsichtlich der Art und des Umfangs einer Fördermaßnahme weitestgehend unbestimmte Heranziehung des Hilfeempfängers auf den Maßnahmeträger und damit eine juristische Person des Privatrechts verlagert werden, auch wenn es sich dabei um einen stadtnahen und gemeinnützigen Verein handelt.

 

Orientierungssatz

§ 107 Abs 1 BSHG ist unter Berücksichtigung der Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts auf noch nicht abgeschlossene Kostenerstattungsfälle weiterhin anzuwenden (vgl BSG vom 24.3.2009 - B 8 SO 34/07 R = SozR 4-5910 § 111 Nr 1 und LSG Celle-Bremen vom 25.2.2010 - L 8 SO 76/07).

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Erstattung von Leistungen, die sie an den Hilfeempfänger O. H. erbracht hat.

Der 1973 geborene Hilfeempfänger beantragte im November 1997 die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bei der Stadt D., die dem Antrag mit Bescheid vom 18. November 1997 entsprach. Mit Urteil vom 27. August 1999 lehnte das Verwaltungsgericht E. (Az: xxx) zwar dessen Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte aber zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes, also des Verbots der Abschiebung politisch Verfolgter, fest. Die Stadt D. bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 5. November 1999 Leistungen nach §§ 11 ff. Bundessozialhilfegesetz (BSHG) i.V.m. 3 AsylbLG ab August 1999.

Im August 2000 zog der Hilfeempfänger nach A-Stadt um. Unter dem 24. August 2000 beantragte er bei der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG. Diese erbrachte daraufhin Leistungen für September 2000 in Höhe von 441,00 DM, soweit ersichtlich ohne diesbezüglich einen förmlichen Bescheid zu erteilen. Die Stadt D. stellte ihrerseits die Leistungsgewährung mit Ablauf des Septembers ein (Bescheid vom 27. September 2000).

Für Oktober 2000 erhielt der Hilfeempfänger - soweit ersichtlich über die Werkstatt F.e.V., bei der er für eine gemeinnützige Tätigkeit vorgesehen war, die wegen des Besuchs eines Deutschkurses dann nicht zustande kam - Leistungen in Höhe von 684,75 DM, ebenso für November 2000 unmittelbar von der Klägerin, wobei diese als Regelsatz einen Betrag von 441,00 DM und Kosten der Unterkunft in Höhe von 243,75 DM berücksichtigte. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 bewilligte sie förmlich Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 1. Dezember 2000 in unveränderter Höhe von 684,75 DM monatlich sowie eine Weihnachtsbeihilfe in Höhe von 68,00 DM als Darlehen gemäß § 15b BSHG und zahlte, soweit ersichtlich ohne Bescheid, eine Bekleidungsbeihilfe in Höhe von 290,00 DM.

Nachdem der Hilfeempfänger mit Kostenzusicherung der Klägerin eine andere Wohnung gefunden hatte, erhielt er auf Grund von Bescheiden vom 4. Januar 2001 und 8. Februar 2001 Beihilfen nach dem BSHG für die Einrichtung und Renovierung der Wohnung in Höhe von 700,00 DM bzw. 620,00 DM. Mit Bescheid vom 29. Januar 2001 bewilligte sie laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 1. Februar 2001, und zwar weiterhin als Darlehen gemäß § 15b BSHG, in Höhe von monatlich 1.084,50 DM. Dabei berücksichtigte sie für den Regelsatz einen Betrag von 551,00 DM, die mietvertraglich geschuldete Kaltmiete (einschließlich Nebenkostenvorauszahlung) in Höhe von 482,50 DM und Heizkosten von 51,00 DM. Im April 2001 übernahm sie die Kosten für eine Brille in Höhe von 49,00 DM und bewilligte für Mai 2001 eine Bekleidungspauschale von 290,00 DM (Bescheid vom 26. April 2001). Wegen der Erhöhung des Regelsatzes auf 562,00 DM erhielt der Hilfeempfänger für...

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