Entscheidungsstichwort (Thema)
UV-Schutz auf Dienstreisen. Lufthansapiloten
Leitsatz (amtlich)
1. Je länger auf Dienstreisen Zwischenräume (lay-over = Ruhezeit) eingeschoben sind, umso mehr beschränkt sich der UV-Schutz auf das zur Aufrechterhaltung der Arbeitsaufnahme Notwendige.
2. Zur Abgrenzung von der unversicherten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit werden dabei auch die Grenzen des Allgemeinüblichen zu berücksichtigen sein.
3. Ein etwa dreistündiger Aufenthalt mit geselligem Zusammensein unter Bediensteten eines Unternehmens in einem Speiselokal am Ort der Dienstreise stellt eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar, so daß der Rückweg von dieser Verrichtung in die zugewiesene Hotelunterkunft unversichert ist.
Normenkette
RVO § 548
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 03.08.1978; Aktenzeichen S-1/U - 11/78) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. August 1978 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung einer bei einem Überfall in R. erlittenen Verletzung als Arbeitsunfall.
Der im Jahre 1941 geborene Kläger war bei der D. L. AG – … – als Flugzeugführer tätig. Unter dem 12. Oktober 1977 zeigte dieser der Beklagten förmlich an, daß er nach einem Flugeinsatz von F. nach R. während der Ruhezeit (lay-over) am 26. September 1977 gegen 2.30 h Ortszeit auf der Avenida Atlantica von einem Neger bedroht und in den Rücken angeschossen worden sei. Er habe einen Lebersteckschuß erlitten; die Gallenblase sei entfernt worden. Hierzu erklärte die Flugbegleiterin M. F. (F.) am 13. Dezember 1977, der Überfall habe sich um 1.30 h ereignet, als sie sich mit dem Kläger nach einem Abendessen auf dem Rückweg zu ihrer Hotelunterkunft befunden habe und sie auf ein Taxi gewartet hätten.
Hierauf lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. Januar 1978 die Gewährung einer Entschädigung ab, da der Kläger keinen Arbeitsunfall erlitten habe. Der Überfall habe sich außerhalb der Dienstzeit und auch nicht bei einer dienstlichen Verrichtung ereignet. Der nächtliche Aufenthalt auf der Avenida Atlantica in R. habe ausschließlich privaten Interessen gedient.
Gegen diesen am gleichen Tage mit Einschreiben abgesandten Bescheid hat der Kläger am 9. Februar 1978 bei dem Sozialgericht Darmstadt – SG – Klage erhoben und u.a. geltend gemacht: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – bestehe auf Dienstreisen der Versicherungsschutz auf Wegen zur Einnahme von Mahlzeiten auch dann, wenn nicht das Hotelrestaurant, sondern eine nicht unverhältnismäßig weit entfernte Gaststätte aufgesucht werde. Das sei hier bei den nur 20 Busminuten vom Hotel Intercontinental R. entfernt gelegenen Restaurant „Churrascaria Jardim” der Fall gewesen. Die Wahl sei zudem auf dieses Restaurant gefallen, weil dort wegen der bekannt einwandfreien hygienischen Verhältnisse die L.-Besatzungen häufig Mahlzeiten einnähmen. Außerdem habe es sich nach einem anstrengenden Nachtflug um die erste warme Mahlzeit nach der Auskunft in R. gehandelt, die der Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit diente und daher versichert gewesen sei.
Das SG hat zunächst die Flugbegleiterin F. als Zeugin gehört. Diese hat u.a. bekundet, daß die Crew beim Eintreffen in R. einig gewesen sei, sich nach dem Ausschlafen zum Essen in dem Restaurant „Churascaria Jardim” zu treffen, ohne daß eine bestimmte Zeit ausgemacht gewesen sei. Sie sei nach etwa 30 Minuten Fahrt im Hotelbus zusammen mit dem Kläger gegen 21.30 h am 25. September 1977 dort eingetroffen. Sodann hätten sie dort das Essen um diese Zeit bestellt und auch sofort serviert bekommen. Sie hätten sich in diesem Restaurant etwa zwei Stunden aufgehalten und sich mit anderen Kollegen von der … (Flugzeugbesatzungen und in R. stationierte Mitarbeiter) unterhalten. Gegen 1.00 h (26. September 1977) hätten sie sodann das Restaurant verlassen. Während andere Kollegen hätten noch woanders hingehen wollen, wollten sie zum Hotel zurückfahren. Beim Warten auf ein Taxi bzw. den Hotelbus sei der Kläger plötzlich und unvermutet angeschossen worden.
Sodann hat das SG am 3. August 1978 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger aufgrund der Schußverletzung vom 26. September 1977 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Er habe einen Arbeitsunfall erlitten, da er einer Gefahr erlegen sei, die aufgrund seines dienstlich bedingten Aufenthaltes in R. entstanden sei. Nicht private sondern dienstliche Gründe hätten ihn zur Unfallzeit an die Unfallstelle geführt. Eine frühere Einnahme der Mahlzeit sei infolge der morgendlichen Ankunft am 25. September 1977 in R. kaum möglich gewesen. Zur Nahrungsaufnahme sei der Kläger nach der Rechtsprechung des BSG auch nicht genötigt gewesen, in das überfüllte Restaurant in seinem Hotel zu gehen, zumal das von ihm aufgesuchte Restaurant als hygienisch einwandfrei gegolten habe un...