Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Vergütung. Abrechnung der Nr 23220 EBM-Ä 2008 bei laufender Probatorik, Kurzzeittherapie oder Langzeittherapie. keine Unwirtschaftlichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abrechnung der GOP 23220 EBM 2011 (juris: EBM-Ä 2008) bei laufender Probatorik, Kurzzeittherapie oder Langzeittherapie nach der Psychotherapie-Richtlinie (juris: PsychThRL 2009) kann nicht per se eine Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall begründen.
2. Hierfür gibt der Wortlaut der GOP 23220 EBM 2011 keinen Ansatz. Für die Auslegung einer GOP ist in erster Linie der Wortlaut der Regelung maßgebend.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens unter Einschluss der dem Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses i.H.v. 9.706,52 € aufgrund einer Einzelfallprüfung der Gebührenordnungsposition (GOP) 23220 (Psychotherapeutisches Gespräch als Einzelbehandlung) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) 2011.
Der Kläger ist seit dem 11. Februar 1999 in einer Einzelpraxis als psychologischer Psychotherapeut in A-Stadt unter der BSNR XXX1 niedergelassen und nimmt seitdem an der vertragspsychotherapeutischen/-ärztlichen Versorgung teil.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 informierte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen (PS) den Kläger über die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bezüglich der Quartale I/2011 bis IV/2011 bezogen auf die GOP 23220 EBM und erbat die Mitteilung eventuell bestehender Praxisbesonderheiten und kompensatorischer Einsparungen. Im Quartal I/2011 betrage die Überschreitung + 215,62 %, im Quartal II/2011 liege die Überschreitung bei + 170,93 %, im Quartal III/2011 ergebe sich eine Überschreitung von + 357,43 % und die Überschreitung habe im Quartal IV/2011 bei + 387,33 % - jeweils im Verhältnis zur maßgeblichen Fach-/Vergleichsgruppe der vollzugelassenen psychologischen Psychotherapeuten - gelegen. Zur Begründung der Überschreitungen wies der Kläger in seiner Stellungnahme vom 25. Januar 2014 darauf hin, dass er ausschließlich Kurzzeittherapien (KZTen) durchführe, da er davon ausgehe, dass je länger und besser die Ausbildung des Therapeuten sei, die Therapie umso kürzer dauere. Der von ihm abgerechnete 2 bis 3-fache Satz der GOP 23220 EBM sei nicht als unwirtschaftlich zu interpretieren. Da sich die GOP 23220 EBM additiv nutzen lasse, könne man z.B. aus 5 x 23220 EBM (10 Minuten) eine 50-minütige Sitzung kombinieren. Bei der von ihm abgerechneten GOP 23220 EBM handele es sich ausschließlich um die Kombination dieser GOP zu einer Abrechnungseinheit bzw. einer Sitzung. Dadurch sei der Ansatz im Kontext qualitativ hochwertiger KZTen eher als wirtschaftlich (im Sinne der Krankenkasse) und als effizient (im Sinne der Patienten) zu sehen. Insbesondere sei es ihm dadurch möglich, lange Wartezeiten für die Patienten zu vermeiden.
Die PS stellte eine Überschreitung bei den Ansätzen der GOP 23220 EBM im Vergleich zur Fachgruppe (FG) im Umfang eines so genannten „offensichtlichen Missverhältnisses“ fest. Im Hinblick auf die insgesamt vergleichsweise kleine (63 - 68 Fälle pro Quartal), wenn auch im Vergleich zur FG um rund 40 % erhöhte Fallzahl, beauftragte die PS eine Prüfreferentin, eine psychologische Psychotherapeutin, mit der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Ansatzes der GOP 23220 EBM (Übergang von der statistischen Vergleichsprüfung zur eingeschränkten Einzelfallprüfung). Die Prüfreferentin führte aus, dass sie tiefenpsychologisch fundiert arbeite und ihre Prüfungstätigkeit nur aus dieser Sicht habe vornehmen können. Es erscheine ihr grundsätzlich sinnvoller, für die Prüfung jemanden zu bestimmen, der in dem gleichen Verfahren wie der zu überprüfende Psychotherapeut (in diesem Falle Verhaltenstherapie) zugelassen sei. Sie kam auf der Grundlage der Prüfung für alle vier Quartale des Jahres 2011 - zusammengefasst - zu folgendem Ergebnis:
Es sei nicht nachvollziehbar, dass bei laufender KZT mehrfach die GOP 23220 EBM statt einer regulären (das heißt: im Antragsverfahren erfolgenden) Psychotherapie-Sitzung abgerechnet würde. Es sei auch zu beanstanden, wenn während der Phase der probatorischen Sitzungen 40-, 50- oder 70-minütige therapeutische Gespräche abgerechnet würden und keine weitere GOP 35150 EBM (= probatorische Sitzung). Probatorische Sitzungen sollten ausschließlich dem Zweck dienen, festzustellen, ob ein Antrag auf Psychotherapie gestellt werden müsse. Auch wenn eine Behandlung insgesamt nur wenige Therapieeinheiten umfasse, so handele es sich doch um eine KZT, welche bei der für den Patienten zuständigen Krankenkasse hätte beantragt werden müssen. Hingegen sei nicht zu be...