Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Zeitfenster. Behandlungsstunden pro Woche. Härtefall

 

Orientierungssatz

1. Die Verwaltungspraxis, nach der innerhalb des Zeitraumes von einem halben Jahr zumindest 250 Stunden ambulanter psychotherapeutischer Behandlungstätigkeit - oder 11,6 Stunden pro Woche - verlangt werden, ist für den Regelfall zu billigen.

2. Unter Härtegesichtspunkten - etwa wenn für mindestens sechs Monate keine annähernd halbtägige Behandlungstätigkeit vorgewiesen werden kann, etwa weil eine Praxis erst gegründet wurde - ist eine insgesamt geringere Gesamtstundenzahl ausreichend, sofern dann zumindest 15 Wochenstunden im letzten Vierteljahr des Zeitfensters nachgewiesen werden und auch sonst alle Umstände auf eine berufliche Orientierung zu einer Tätigkeit in niedergelassener Praxis hindeuten (vgl BSG vom 19.7.2006 - B 6 KA 18/05 B).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 02.09.2009; Aktenzeichen B 6 KA 1/09 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. August 2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 60.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt ihre bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als psychologische Psychotherapeutin.

Die Klägerin ist Diplom-Psychologin und besitzt seit 1. Januar 1999 die Approbation als psychologische Psychotherapeutin.

Auf einem am 22. Dezember 1998 bei dem Beklagten eingegangenen Formblatt beantragte sie ihre bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung nach § 95 Abs. 10 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V). Sie verwies darauf, seit ihrer Niederlassung im Jahr 1983 bis einschließlich 1991 im Delegationsverfahren in über 3000 Stunden Patienten zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) behandelt zu haben. Danach habe sie bis 24. Juni 1997 in ihrer Praxis nur noch "Selbstzahler" therapiert, deren von der GKV genehmigte Stundenzahl ausgeschöpft gewesen sei. Erst ab dem vierten Quartal 1997 habe sie erneut im Delegationsverfahren Behandlungen auf Kosten der GKV durchgeführt.

Mit Beschluss vom 11. Mai 1999 lehnte der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Beigeladenen zu 1 den Antrag der Klägerin ab, weil sie im sog. Zeitfenster vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 keinerlei Behandlung für die GKV durchgeführt habe. Erst ab dem vierten Quartal 1997 habe sie im Delegationsverfahren erneut Patienten auf Kosten der GKV therapiert. Ein schützenswerter Besitzstand, der eine bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung rechtfertigen könnte, habe daher nicht vorgelegen.

In dem sich anschließenden Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, sie habe aus beruflichen und familiären Gründen erst Ende 1997 ihre Praxis in F wieder verstärkt betrieben. Von 1993 bis 1997 habe sie einen Zweitwohnsitz bei ihrem Ehemann in M gehabt und ihre Praxis in F noch nebenbei fortgeführt. In Spanien habe sie von Ende 1994 bis Juni 1996 eine Patientin psychotherapeutisch behandelt. 80 Behandlungsstunden seien über die AOK Bayern abgerechnet worden.

Mit Beschluss vom 15. August 2002 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Er unterstellte den Vortrag der Klägerin als wahr, in dem von ihr angegebenen Zeitraum 80 Behandlungsstunden auf Kosten der GKV erbracht zu haben. Nach den in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten Kriterien habe mit dieser Stundenzahl noch keine schützenswerte psychotherapeutische Praxis bestanden, denn danach hätte die Klägerin Versicherte der GKV in anerkannten Behandlungsverfahren in einem bestimmten Mindestumfang - im Regelfall mindestens 250 Stunden in einer Zeitspanne von mindestens sechs und höchstens zwölf Monaten - eigenverantwortlich in niedergelassener Praxis behandelt haben müssen. Dies entspreche etwa fünf Behandlungsstunden wöchentlich. Diesen Anforderungen werde die Tätigkeit der Klägerin unter keinem Gesichtspunkt gerecht.

Gegen den ihr am 2. Mai 2003 zugestellten Beschluss (ausgefertigt am 30. April 2003) hat die Klägerin am 30. Mai 2003 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.

Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Beigeladenen zu 1 hat die Klägerin mit Beschluss vom 15. Dezember 2005, wegen der bis dahin eintretenden Vollendung des 68. Lebensjahres befristet bis zum 30. September 2007, zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung ermächtigt.

Mit Urteil vom 29. August 2007 hat das Sozialgericht die Klage aus den Gründen des angegriffenen Beschlusses des Beklagten als unbegründet abgewiesen.

Gegen das ihr am 19. November 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Dezember 2007 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt, zu deren Begründung sie nochmals darauf hinweist, bis 1991 über 3000 Behandlungsstunden für die GKV erbracht zu haben. Nach einem nicht näher beschriebenen ...

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