Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 16 SGB 7. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 SGB 7. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. unternehmerähnliche Tätigkeit. Transport von Schotter mit eigenem Baufahrzeug. Arbeitsunfall. Öffentlich geförderter Wohnraum. Wohnflächengrenze. Wie-Beschäftigter. Weisungsabhängigkeit. Eigentum am Arbeitsmittel. Gefährlichkeit der Tätigkeit. Rechtliches Gehör
Leitsatz (amtlich)
1. Wer mit seinem eigenen Bau- bzw. Landwirtschaftsfahrzeug (hier: Muldenkipper), welches sonst kein anderer auf der Baustelle bedienen kann, über einen ganzen Tag hinweg unentgeltlich eine von den anderen Arbeiten abgrenzbare (hier: Transport von Schotter) und nicht ungefährliche (hier: Rückwärtsfahren auf einen Hang) Tätigkeit verrichtet, handelt nicht als Wie-Beschäftigter nach § 2 SGB VII, sondern unternehmerähnlich.
2. Zu den Voraussetzungen des Unfallversicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII.
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 16, Abs. 2, § 8 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 7 Abs. 1; SGG § 62
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.
Der Zeuge Dr. D. erbaute im Jahre 2008 auf seinem Grundstück ein Einfamilienwohnhaus und wollte dort mit Hilfe des Zeugen C. eine Terrasse und einen Spielplatz errichten. Der Zeuge C. sprach den im Jahre 1940 geborenen Kläger an, ob dieser mit seinem Muldenkipper Schotter auf dem Grundstück des Zeugen Dr. D. transportieren könne. Der Kläger erklärte sich dazu bereit. Am 9. April 2009 brachte er seinen Muldenkipper zum Grundstück des Zeugen Dr. D. Am 11. April 2009 traf er sich dort gegen 7 Uhr mit den Zeugen C. und Dr. D. Die Tätigkeit des Klägers bestand darin, mit dem Muldenkipper den vom Zeugen C. mit einem Minibagger aufgeladenen Schotter von einer Stelle vor dem Wohnhaus zu einer anderen Stelle auf dem hinteren Teil des Grundstücks zu verbringen. Auf dem Weg dorthin musste der Kläger mit dem Muldenkipper eine Böschung hochfahren. Der Zeuge C. verteilte, glättete und verdichtete - jeweils nach etwa 5 Fuhren - den vom Kläger abgeladenen Schotter. Der Kläger sollte so lange auf der Baustelle tätig sein, bis der Schotter vollständig transportiert und verteilt war. Gegen 17.30 Uhr fuhr der Kläger rückwärts den Hang hinauf, als der Muldenkipper plötzlich umstürzte und den Kläger darunter einklemmte. Dieser erlitt dadurch unter anderem eine Beckenfraktur und eine Lendenwirbelsäulenfraktur.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm (Entschädigungs-)Leistungen zu gewähren. Mit Bescheid vom 18. August 2009 lehnte die Beklagte dies ab, weil die Tätigkeiten des Klägers auf einer persönlichen Beziehung zu den ihm bekannten Bauherren beruhten und damit als unversicherte Gefälligkeitsleistungen zu bewerten seien, sodass der Kläger nicht wie ein Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) tätig geworden sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2010 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 12. April 2010 Klage beim Sozialgericht Frankfurt erhoben und vorgetragen, als Bauhelfer bei einem Eigenbauunternehmen tätig geworden zu sein. Das Sozialgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 2. März 2011 den Zeugen Dr. D. vernommen und den Kläger befragt. Wegen des Inhalts der jeweiligen Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2. März 2011 verwiesen. Mit Urteil vom 2. März 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei im Zeitpunkt des Unfalls nicht gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII versichert gewesen, da seine Tätigkeit nicht als arbeitnehmerähnlich, sondern unternehmerähnlich zu bewerten sei. Dafür spreche insbesondere, dass er die Arbeiten mit seinem eigenen Arbeitsgerät verrichtet habe und außer ihm keiner auf der Baustelle das Fahrzeug habe bedienen können.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 30. März 2011 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger ist der Auffassung, der Unfall sei ein Arbeitsunfall. Er sei in den Herstellungsprozess beim Bauherrn eingegliedert gewesen und habe nicht eigenverantwortlich und weisungsfrei gehandelt. Zwar habe der Kläger die Arbeiten mit seinem eigenen Werkzeug verrichtet. Für das Führen des Muldenkippers sei jedoch keine derart hohe Fachkompetenz erforderlich, dass dies nicht auch der Bauherr und insbesondere der Zeuge C. nach kurzer Einarbeitungszeit hätten übernehmen können. Es stehe einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung auch nicht entgegen, dass der Kläger vom Zeugen Dr. D. keine Anweisung darüber erhalten habe, wie der Kipper zu bedienen sei. Entscheidend sei, dass der Zeuge Dr. D. Ort, Zeitdauer und...