Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Honorarvertrag. Erlaubnis zum Erlass von kapazitätsbegrenzenden Regelungen. Begriff der Vorgaben iS von § 87b Abs 4 S 2 SGB 5 idF vom 26.3.2007. Berufsausübungsgemeinschaft. keine gemeinsamen Kapazitätsobergrenzen. Motiv für die zeitbezogene Kapazitätsgrenze bei den Psychotherapeuten
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 87b Abs 4 S 2 SGB 5 in der Fassung des GKV-WSG vom 26.3.2007 erlaubt den Erlass kapazitätsbegrenzender Regelungen. Der in dieser Regelung verwandte Begriff "Vorgaben" ist weit zu verstehen. Dabei ist es grundsätzlich zulässig, Leistungen, die nach § 87b Abs 2 S 7 SGB 5 aF aus dem Regelleistungsvolumen herausgenommen wurden, anderweitigen Begrenzungsmaßnahmen zu unterwerfen (vgl BSG vom 17.7.2013 - B 6 KA 45/12 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 4).
2. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, sonstigen Vertragsärzten, die im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig werden, über das Regelleistungsvolumen eine gemeinsame Kapazitätsobergrenze und damit eine Verrechnung zuzugestehen, anderen Behandlern, wenn sie gemeinschaftlich tätig sind, dieses Recht dagegen nicht zu gewähren.
3. Motiv für die zeitbezogene Kapazitätsgrenze bei den Psychotherapeuten ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelungen, die die Kapazitätsgrenzen anordnen, nicht, eine ordnungsgemäße Leistungserbringung sicherzustellen.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Marburg vom 18. Dezember 2013 sowie Abänderung der Honorarbescheide vom 20. Juli 2009, 12. Oktober 2009, 23. Dezember 2009 und 27. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2012 verurteilt, den Antrag der Klägerin, ihr für ihre in den Quartalen I/09 bis IV/09 erbrachten psychotherapeutischen Leistungen eine weitere Vergütung zu gewähren, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat 2/3 der Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen, die Klägerin 1/3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Berufsausübungsgemeinschaft, wendet sich gegen die Abstaffelung ihres Honorars in den Quartalen I/09 bis IV/09, die sie wegen der Nichtverrechnung der zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen zwischen den beiden Mitgliedern der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) für rechtswidrig hält.
Die Klägerin ist eine zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene psychotherapeutische BAG, bestehend aus den beiden Diplom-Psychologen A. und C. Sie hat ihren Praxissitz in A-Stadt. In den streitgegenständlichen Quartalen beschäftigte Herr A. zwei von der Beklagten genehmigte Assistenten in Teilzeit (halbtags).
In diesen Quartalen waren für Psychologische Psychotherapeuten folgende zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen (in Minuten, pro Quartal) festgesetzt worden:
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Quartal |
I/09 |
II/09 |
III/09 |
IV/09 |
für antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen (Kap. 35.2 EBM) |
27.090 |
27.090 |
27.090 |
27.090 |
für nicht antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen (arztgruppenspezifischer Anteil) |
2.500 |
2.569 |
2.664 |
2.587 |
Insgesamt |
29.590 |
29.659 |
29.754 |
29.677 |
Herr A. und Herr C. rechneten in den streitgegenständlichen Quartalen folgende Gesprächsleistungen (in Minuten, pro Quartal) ab:
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Quartal |
I/09 |
II/09 |
III/09 |
IV/09 |
Hr. A. antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen |
37.030 |
28.700 |
27.230 |
22.330 |
Hr. A. nicht antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen (arztgruppenspezifischer Anteil) |
22.303 |
14.724 |
19.154 |
13.866 |
Hr. A. insgesamt |
59.333 |
43.424 |
46.384 |
36.196 |
Hr. C. antrags- und genehmigungspflichtige |
16.800 |
15.190 |
15.050 |
19.600 |
Leistungen |
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Hr. C. nicht antrags- und genehmigungspflichtige |
4.959 |
3.072 |
4.554 |
4.248 |
Leistungen (arztgruppenspezifischer Anteil) |
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|
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Hr. C. insgesamt |
21.759 |
18.262 |
19.604 |
23.848 |
In den betroffenen Quartalen gestaltete sich die Honorargewährung gegenüber der Klägerin wie folgt:
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Quartal |
I/09 |
II/09 |
III/09 |
IV/09 |
Honorarbescheid vom |
20.7.2009 |
12.10.2009 |
23.12.2009 |
27.3.2009 |
festgesetztes Bruttohonorar BAG |
93.632,36 |
58.815,01 |
59.180,98 |
60.801,63 |
angefordertes Bruttohonorar Hr. A. |
94.689,18 |
48.155,91 |
49.697,51 |
39.149,51 |
festgesetztes Honorar Hr. A. |
68.646,09 |
37.586,13 |
36.095,68 |
33.876,20 |
angefordertes Bruttohonorar Hr. C. |
24.549,95 |
20.906,86 |
22.410,52 |
26.925,43 |
festgesetztes Honorar Hr. C. |
24.986,27 |
21.228,88 |
23.085,30 |
26.925,43 |
(alle Honorarbeträge in Euro)
Die Honorarkürzungen ergeben sich im Wesentlichen aus der Abstaffelung des durch Herrn A. angeforderten Honorars wegen seines Überschreitens der zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen. Hinsichtlich der konkreten Berechnung der Abstaffelung wird auf die Berechnungen in den jeweiligen Honorarbescheiden, Bl. 24, 56, 89 und 121 der Behördenakte verwiesen.
Gegen die mit Anschreiben vom 26. August 2009 (Quartal I/09), vom 2. Dezember 2009 (Quartal II/09), 22. Februar 2010 (Quartal III/09) und vom 31. Mai 2010 übersandten Honorarbescheide erhob die Klägerin am 11. September 2009 (Schre...