Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Sonderfall der Verfügbarkeit. Student. Beginn der Vermutungsregelung. Semesterbeginn. Widerlegung der Vermutung bis zum Vorlesungsbeginn
Leitsatz (amtlich)
1. Durch die Immatrikulation entsteht zwischen dem Studenten und der Hochschule ein Rechtsverhältnis, das die Vermutung begründet, der Student könne während seines Studiums keiner beitragspflichtigen Beschäftigung mehr nachgehen (vgl BSG vom 19.3.1998 - B 7 AL 44/97 R und BSG vom 24.7.1997 - 11 RAr 99/96 = SozR 3-4100 § 103a Nr 3). Die Immatrikulation wird, unabhängig vom Zeitpunkt der Zulassung, mit Beginn des Semesters, auf das sie bezogen ist, wirksam (§ 3 Abs 9 Hessische Immatrikulationsverordnung (juris: HSchulImmV HE 2010)).
2. Die Vermutung kann bei Aufnahme eines Studiums für die Zeit zwischen Semesterbeginn und Vorlesungsbeginn widerlegt werden (ebenso LSG Darmstadt vom 21.9.2012 - L 7 AL 3/12 = info also 2013, 27 und vom 26.6.2013 - L 6 AL 186/10).
Tenor
I. |
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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 10. Oktober 2013 wird zurückgewiesen. |
II. |
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Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird nicht zugelassen. |
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld durch die Beklagte, beschränkt auf den Zeitraum vom 1. September 2010 bis zum 3. Oktober 2010.
Die 1985 geborene Klägerin war vom 1. September 2002 bis zum 31. Dezember 2009 bei der C. zunächst als Auszubildende, danach als Sachbearbeiterin, beschäftigt. Am 28. Oktober 2009 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. Januar 2010 nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit ihrem Arbeitgeber arbeitslos. Mit Bescheid vom 21. Januar 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld für 360 Kalendertage ab 1. Januar 2010 i. H. v. 52,49 Euro täglich. In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 28. Januar 2010 ruhte der Anspruch wegen Urlaubsabgeltung.
Im August 2010 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie zum Wintersemester 2010/2011 ein Studium der Betriebswirtschaft an der Fachhochschule A-Stadt/AX. aufnehmen werde. Semesterbeginn war der 1. September 2010. Aus einem Einladungs- und Informationsschreiben zum Studienbeginn geht hervor, dass der erste Studientag der 4. Oktober 2010 war.
Mit Bescheid vom 25. August 2010 hob die Beklagte die Bewilligung über Arbeitslosengeld ab dem 1. September 2010 vollständig wegen eigener Abmeldung aus dem Leistungsbezug auf. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 30. August 2010 Widerspruch mit der Begründung ein, ihr sei mündlich die Weitergewährung des Arbeitslosengeldes bis zum 3. Oktober 2010 zugesagt worden. Zudem stehe sie dem Arbeitsmarkt bis zum Vorlesungsbeginn voll zur Verfügung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, es fehle an einer Verfügbarkeit der Klägerin bereits ab dem 1. September 2010 und nicht erst ab dem 4. Oktober 2010. Es werde nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) vermutet, dass Studenten nur versicherungsfreie Tätigkeiten ausüben könnten. Zwar sei die Vermutung widerlegbar, die Klägerin habe aber die Vermutung nicht widerlegt.
Die Klägerin hat am 5. Oktober 2010 beim Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe dem Arbeitsmarkt bis zum Vorlesungsbeginn am 4. Oktober 2010 in vollem Umfang zur Verfügung gestanden. Die Vermutung der Beklagten, dass sie als Studentin lediglich versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben könne, sei in ihrem Fall durch die Vorlage der Einladung zum ersten Studientag am 4. Oktober 2010 bzw. einer Bescheinigung der Fachhochschule A-Stadt/AX. vom 4. November 2010 über den Beginn des Studiums am 4. Oktober 2010 widerlegt. Es hätten bis einschließlich 3. Oktober 2010 keine Lehrveranstaltungen stattgefunden.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin allein durch die Immatrikulation seit dem 1. September 2010 nicht mehr in der Lage gewesen sei, eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne des § 26 SGB III auszuüben. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass ihr Studium bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung zulasse. Auf den tatsächlichen Beginn der Studienveranstaltung komme es nicht an. Die Beklagte verweise insoweit auch auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Juli 1997 (11 RAr 99/96).
Mit Urteil vom 10. Oktober 2013 hat das Sozialgericht den Bescheid (der Beklagten) vom 25. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2010 insoweit aufgehoben, als dieser den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis zum 3. Oktober 2010 aufhebt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die...