Verfahrensgang
SG Marburg (Urteil vom 29.02.1996; Aktenzeichen S-5/Ar-254/94) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Februar 1996 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten vor allem über das Ruhen des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld wegen des Bezugs von vorgezogenem Altersruhegeld für weibliche Versicherte nach § 28 Abs. 6 der Satzung der Versorgungsanstalten der Deutschen Bühnen (VddB) ab 1. September 1993 sowie über die Erstattung von Leistungen.
Die am 31. Juli 1933 geborene Klägerin war zuletzt vom 1. August 1979 bis zum 15. August 1993 als Intendanzsekretärin bei der S. G. GmbH beschäftigt. Sie war freiwillig versichert bei der VddB, eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die den Zweck hat, den an deutschen Theatern beschäftigten Bühnenangehörigen eine Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung im Wege der Versicherung nach Maßgabe ihrer Satzung und der Tarifordnung für die deutschen Theater zu gewähren (§ 1 der Satzung der VddB vom 12. Dezember 1991 – im folgenden: Satzung). In der Angestellten-Rentenversicherung war die Klägerin nach Art. 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Juli 1965 befreit, so daß für sie keine Pflichtbeiträge zu entrichten waren.
Am 5. August 1993 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte das Arbeitslosengeld. Diese Leistung bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 22. September 1993 ab 16. August 1993. In Höhe von 436,20 DM wöchentlich wurde das Arbeitslosengeld bis zum 25. November 1993 auch tatsächlich gezahlt.
Als Verwalterin der VddB bewilligte die Bayrische Versicherungskammer der Klägerin auf deren Antrag vom 24. September 1993 das vorgezogene Altersruhegeld für weibliche Versicherte, nach § 28 Abs. 6 der Satzung mit Wirkung vom 1. September 1993 und in Höhe von 763,10 DM monatlich. Nachdem die Beklagte hiervon am 3. Dezember 1993 Kenntnis erlangt hatte, hob sie ihre Entscheidung über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 26. November 1993 durch Bescheid vom 20. Dezember 1993 auf.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21. Januar 1994 Widerspruch. Mit weiterem Bescheid vom 31. Januar 1994 hob die Beklagte ihre Bewilligungsentscheidung darüber hinaus mit Wirkung vom 1. September 1993 auf. Bei der zu diesem Zeitpunkt bewilligten Rente handele es sich um eine der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art, die gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führe. Die eingetretene Überzahlung in Höhe von 5.379,80 DM habe die Klägerin zu erstatten. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin – am 11. Februar 1994 – Widerspruch ein, dem sie ein Schreiben der Bayerischen Versicherungskammer vom 2. Februar 1994 beifügte. Darin wurde dargelegt, daß der Ruhegeldanspruch nicht zum Wegfall des Arbeitslosengeldes führen dürfe.
Durch Widerspruchsbescheid vom 14. April 1994 entsprach die Beklagte den Widersprüchen insoweit, als sie den Erstattungsanspruch auf 3.125,60 DM minderte. Im übrigen blieben die Widersprüche ohne Erfolg. Zur Begründung führte sie aus, nach § 152 Abs. 3 AFG sei der Verwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, sofern die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch – Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen hätten. Dies sei vorliegend der Fall, weil die Klägerin nicht unverzüglich das Arbeitsamt darüber informiert habe, daß ihr von der Bayrischen Versicherungskammer vorgezogenes Altersruhegeld zuerkannt worden sei. Während die Bescheiderteilung am 25. Oktober 1993 erfolgt sei, sei die Mitteilung durch die Klägerin erst am 3. Dezember 1993 erfolgt. Die Altersrente, welche die Klägerin beziehe, erfülle die gleichen gemeinsamen typischen Merkmale, wie die nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG genannten Altersrenten und Ausgleichsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherungen für eine Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob die Leistung im Einzelfall den Lebensunterhalt sicherstelle oder nicht. Unter Berücksichtigung der Bescheiderteilung am 25. Oktober 1993 sowie des Postweges habe die Klägerin die Arbeitsverwaltung erst am 1. November 1993 über den Rentenbezug informieren können. Dies habe zur Folge, daß sich die Aufhebung und der Erstattungsanspruch für die Zeit vom 1. September bis zum 31. Oktober 1993 nur an der Rentenhöhe orientiere, während ab 1. November 1993 wegen der verspäteten Mitteilung die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld vollständig aufgehoben und der überzahlte Betrag voll erstattet werden müsse. Vom 1. September bis zum 31. Oktober 1993 errechne sich daher ein Erstattungsanspruch von 1.526,20 DM (2 × 763,10 DM)...