Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Arbeitslosengeldbewilligung im Zugunstenverfahren für die Vergangenheit. Änderung der ständigen Rechtsprechung. Leistungsgruppenzuordnung. Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten. Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne. Zweckmäßigkeitsprüfung
Orientierungssatz
1. Der Rücknahme einer rechtswidrigen Arbeitslosengeldbewilligung im Zugunstenverfahren für die Vergangenheit nach § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, bei der ein Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten unberücksichtigt blieb, weil nicht die Steuerklassenkombination mit dem geringstmöglichen gemeinsamen Lohnsteuerabzug gewählt wurde, steht die Sonderregelung des § 330 Abs 1 SGB 3 nicht entgegen, da sich die Rechtsprechung zu § 137 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 3 nicht geändert hat.
2. Die Auffassung, dass § 330 SGB 3 auch ohne Rechtsänderung der Rechtsprechung der rückwirkenden Abänderung von (rechtswidrigen) Verwaltungsakten entgegensteht, vermag nicht zu überzeugen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 6. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die nach einem Steuerklassenwechsel maßgebliche Leistungsgruppe.
Der im Jahre 1947 geborene Kläger ist verheiratet. Zum Jahresbeginn 1999 war in der Lohnsteuerkarte 1999 für den Kläger die Steuerklasse V und für dessen Ehefrau die Steuerklasse III eingetragen. Am 8. März 1999 erfolgte zum 1. April 1999 eine Änderung der Lohnsteuerklassen. Nunmehr war für den Kläger die Steuerklasse III und für seine Ehefrau die Steuerklasse V eingetragen.
Durch Bescheid vom 8. März 1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß Arbeitslosengeld ab 2. März 1999 in Höhe von wöchentlich 256,27 DM. Dieser Leistung lag ein monatliches Bruttoentgelt von 3.673,37 DM zugrunde. Die Ehefrau des Klägers bezog im April 1999 Bezüge in Höhe von 3.085,60 DM (gesamt brutto) bzw. 2.832,57 DM (Steuer -- brutto). Den gegen die Höhe der Leistungsbewilligung gerichteten Widerspruch verwarf die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1999 wegen Fristversäumnis als unzulässig. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Wiesbaden (SG) durch Gerichtsbescheid vom 29. November 1999 (S 11 AL 737/99) ab.
Am 14. Juni 1999 beantragte der Kläger die Überprüfung der Arbeitslosenbewilligung unter Berücksichtigung der ab 1. April 1999 durchgeführten Änderung der Lohnsteuerklassen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 7. Juli 1999 ab, weil die überprüfte Entscheidung nicht fehlerhaft im Sinne des § 44 Sozialgesetzbuch -- Zehntes Buch (SGB X) sei. Der dagegen am 12. Juli 1999 erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1999).
Die am 5. August 1999 erhobene Klage, mit der der Kläger geltend machte, das gewährte Arbeitslosengeld sei unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III zu berechnen, hatte im Wesentlichen Erfolg. Durch Gerichtsbescheid vom 6. März 2000 hat das SG Wiesbaden den Bescheid vom 7. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1999 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bewilligungsbescheid vom 8. März 1999 abzuändern und dem Kläger das gewährte Arbeitslosengeld ab 1. April 1999 nach der Leistungsgruppe C zu berechnen. Im Übrigen, soweit der Leistungszeitraum vom 2. März 1999 bis zum 31. März 1999 betroffen war, hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Verurteilung der Beklagten hat es ausgeführt, dass im Leistungszeitraum ab 1. April 1999 bis zum 31. Dezember 1999 der Lohnsteuerklassenwechsel des Klägers mit seiner Ehefrau zu berücksichtigen sei. Die bei dem Kläger für diesen Zeitraum neu eingetragene Lohnsteuerklasse III entspreche dem Verhältnis seines monatlichen Leistungsentgelts zum Arbeitsentgelt seiner Ehefrau (§ 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch -- SGB III --). Für April 1999 seien auf Seiten des Klägers 3.673,37 DM und seitens seiner Ehefrau das Steuer-Brutto von 2.832,57 DM anzusetzen. Auf das Einkommensverhältnis sei nunmehr der Grundsatz steuerlicher Zweckmäßigkeit anzuwenden, welcher auf den geringsten gemeinsamen Steuerabzug ziele. Die Steuerklasse V für den höher verdienenden Ehegatten sei immer unzweckmäßig. Da der Kläger vorliegend der höher Verdienende sei, habe er seine bisherige Steuerklasse V in eine ihm günstigere Steuerklasse ändern dürfen; die von ihm gewählte Steuerklasse III sei günstiger als die bisherige Steuerklasse V. Der Zweckmäßigkeitsbeurteilung als einer relativen zum bisherigen Zustand stehe auch nicht entgegen, dass vorliegend die Steuerklassenkombination IV/IV noch günstiger wäre als die Steuerklassenkombination III/V. Die Beklagte habe ihre Zweckmäßigkeitsberechnung nicht dargelegt und die vorhandenen drei steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten keiner differenzierten Wertung unterzogen. Let...