Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung. keine rückwirkende Anwendung der ab 1.1.2003 verkürzten Sperrzeitdauer. Rechtsanwendung nach den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts ist für die Beurteilung des Eintritts einer Sperrzeit, seiner Wirkungen und Folgen das Recht maßgeblich, das zum Zeitpunkt des sperrzeitbegründenden Ereignisses gegolten hat (Aufgabe von LSG Darmstadt vom 14.12.2007 - L 7 AL 183/06).

 

Nachgehend

BSG (Vergleich vom 29.08.2012; Aktenzeichen B 11 AL 8/11 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2006 (S 57/14 AL 701/03) und vom 15. November 2006 (S 57/14 AL 1143/03) abgeändert und die Klagen vollständig abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2006 (S 57/14 AL 1142/03) abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2003 aufgehoben, soweit darin der Eintritt einer Sperrzeit für den Zeitraum vom 29. April bis 21. Juli 2003 festgestellt wird. Im Übrigen werden die Berufungen des Klägers und der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe wegen des Eintritts von drei zwölfwöchigen Sperrzeiten, um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit während der Sperrzeiten sowie um die Weiterbewilligung von Arbeitslosenhilfe.

Der Kläger bezog vom Arbeitsamt A-Stadt Arbeitslosenhilfe in Höhe von 15,43 Euro täglich. Mit bestandskräftigen Bescheiden vom 12. Februar 2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2002 und vom 17. Juni 2002 stellte die Beklagte für die Zeit vom 27. November bis 17. Dezember 2001 und für die Zeit vom 14. Juni bis 25. Juli 2002 jeweils Sperrzeiten wegen Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme fest. Ab 26. Juli 2002 bewilligte die Beklagte erneut Arbeitslosenhilfe für ein Jahr (Bl. 394 der Verwaltungsakte).

1. Am 11. November 2002 erhielt der Kläger ein Arbeitsplatzangebot (Bl. 473 der Verwaltungsakte). Es handelte sich um eine Stelle als Touristikfachkraft bei der Firma C. GmbH. Der Arbeitsort war D.. Das Arbeitsplatzangebot enthielt die an den Kläger gerichtete Bitte, sich umgehend schriftlich bei dem genannten Arbeitgeber zu bewerben. Dies unterließ der Kläger. In der hierzu von ihm eingeholten "Erklärung über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses" gab er als Begründung für das Unterlassen einer Bewerbung an, der Grundlohn dieses Reisebüros liege nach seiner eingehenden Erfahrung unter seinen Fixkosten. Darüber hinaus werde weitgehend auf Provisionsbasis bezahlt (Bl. 474 der Verwaltungsakte). Daraufhin wurde mit Bescheid des Arbeitsamtes A-Stadt vom 22. November 2002 für den Zeitraum vom 12. November 2002 bis 3. Februar 2003 der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt. Zugleich wurde dem Kläger mitgeteilt, dass während der Sperrzeit der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ruhe und sein gegenwärtiger Anspruch auf Leistungen vollständig erlösche, wenn er nach Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Anlass für Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet mindestens 24 Wochen gebe und er über den Eintritt der Sperrzeit jeweils einen schriftlichen Bescheid erhalten habe (Bl. 475 Verwaltungsakte). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt. Das Arbeitsangebot habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen. Die Arbeit sei dem Kläger zuzumuten gewesen. Er habe voraussehen müssen, dass er infolge seines Verhaltens arbeitslos bleiben würde. Der Kläger sei bei der Unterbreitung des Arbeitsangebotes darüber belehrt worden, dass er Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gebe, sofern ein Beschäftigungsverhältnis durch sein Verschulden nicht zu Stande komme und er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund habe. Die von dem Kläger zur Begründung für das Unterlassen der Bewerbung gemachten Angaben könnten die Annahme eines wichtigen Grundes nicht rechtfertigen. Maßgebend sei insoweit die Tatsache, dass die Entlohnung dem ortsüblichen Entgelt für diese Tätigkeit entsprochen habe. Mit der Sperrzeitfeststellung wurde die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe unter Bezugnahme auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 SGB III für die Dauer der Sperrzeit aufgehoben.

Am 11. Dezember 2002 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. November 2002. Zur Begründung des Widerspruchs trug er vor, er habe sich bereits vor einem dreiviertel Ja...

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