Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Blutzuckermessung

 

Leitsatz (amtlich)

Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege in Form von Blutzuckermessungen sind in Abweichung von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses (Anlage zur HKP-RL Nr 11 (juris: HKPRL)) zu genehmigen, wenn sich die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls im Sinne von § 1 Abs 3 S 3 HKP-RL im Einzelfall durch die Befundmitteilungen des verordnenden Arztes nachweisen lassen.

 

Normenkette

SGB V § 37 Abs. 2-3, § 13 Abs. 3 S. 1, § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, Abs. 7, § 132a Abs. 1; SGG § 58 S. 1

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Oktober 2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, die Erbengemeinschaft des B.A. unter Abänderung der Bescheide vom 20. Juni 2013 und 20. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2014 sowie des Bescheides vom 19. Dezember 2014 von den Kosten der im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 7. Dezember 2014 durchgeführten Blutzuckermessungen i.H.v. 3.409,06 € freizustellen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die in der Zeit vom 1. Juli 2013 bis 7. Dezember 2014 erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von Blutzuckermessungen an den am 8. August 2018 verstorbenen Vater des Klägers B.A. Nach dessen Tod wird das Verfahren durch den Kläger als (Mit-)Erbe und Rechtsnachfolger des B.A. fortgeführt.

Der 1936 geborene B.A. war bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihm wurde im Jahr 1979 Diabetes mellitus vom Typ 2 diagnostiziert. Die Insulin-Ersteinstellung erfolgte im Dezember 2009. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D. verordnete B.A. mit Folge-Verordnungen vom 18. Juni 2013 (für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2013) und 12. Dezember 2013 (für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2014) jeweils häusliche Krankenpflege in Form von Blutzuckermessungen zweimal täglich/siebenmal wöchentlich, subkutane Injektionen zweimal täglich/siebenmal wöchentlich und Herrichten der Medikamentengabe einmal wöchentlich zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung aufgrund der Diagnosen: "Diabetische Neuropathie bei Typ 2, koronare Eingefäßerkrankung, Z.n. Pneumonie, COPD 2. Grad mit Emphysem, schwankende Blutzuckerwerte, reduzierter Allgemeinzustand". Die Verordnungsdauer über 14 Tage wurde jeweils mit "Auffassungs- und Umstellungsschwierigkeiten" begründet. Unter Vorlage der genannten Verordnungen beantragte B.A. am 20. Juni 2013 und 17. Dezember 2013 die Genehmigung der häuslichen Krankenpflege. Von der Beklagten wurde nachfolgend mit Bescheiden vom 20. Juni 2013 und 20. Dezember 2013 jeweils die Insulininjektionen und das Richten von Medikamenten als Leistungen der häuslichen Krankenpflege genehmigt und zugleich die Übernahme der Kosten für die Blutzuckermessungen und eine "Intensivierte Insulintherapie" abgelehnt. Vom ambulanten Pflegedienst des E. Kreisverband E-Stadt wurden die ärztlich verordneten Blutzuckermessungen gleichwohl durchgeführt und dem B.A. hierfür nachträglich am 6. Januar 2015 monatliche Rechnungen in Höhe von insgesamt 3.409,06 € für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 7. Dezember 2014 ausgestellt.

Gegen die Ablehnung der Genehmigung der Blutzuckermessungen in den vorgenannten Bescheiden erhob B.A. am 19. Juli 2013 und 6. Januar 2014 Widerspruch. Die Beklagte holte eine Auskunft von Dr. D. vom 16. Oktober 2013 ein. Hierzu nahm die Pflegefachkraft F. am 31. Oktober 2013 sowie der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Hessen in einem Gutachten vom 28. November 2013 Stellung. Darin führte die Ärztin im MDK Dr. G. aus, eine Neuinsulineinstellung des Diabetes oder eine "Intensivierte Insulintherapie" seien nicht ersichtlich. B.A. würde nach der "Konventionellen Insulintherapie" versorgt, die aus einer Injektion zum Frühstück und einer Injektion zum Abendbrot bestehe. Diese Form der Therapie sei nur bei stabiler Stoffwechsellage und regelmäßigem Tagesablauf möglich. Sämtliche Blutzuckerwerte lägen im noch tolerablen, altersadaptierten Bereich außerhalb akut bedrohlicher Zustände. Es handele sich um eine regelhafte Insulingabe nach einem festen Schema mit regelhafter vorheriger Blutzuckerbestimmung. Diese therapeutische Maßnahme sei weder medizinisch notwendig noch richtlinienkonform und mit dem pflegerischen Aufwand der "Intensivierten Insulintherapie" nicht vergleichbar. Die Beklagte wies die Widersprüche des B.A. daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie aus, nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL) sei die Blutzuckermessung nur bei Erst- und Neueinstellung des Diabetes sowie bei Fortsetzung einer "Intensivierten Insulintherapie" ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge