Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. approbierter Apotheker. Tätigkeit als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen sowie Qualitätsmanagementbeauftragter in der Pharmaindustrie. berufsspezifische Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzungen der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sind anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen.
2. Befreiungsvoraussetzung ist nicht, dass es sich um eine approbationspflichtige Tätigkeit handelt, so dass grundsätzlich auch in der Pharmaindustrie tätige Apotheker von der Rentenversicherung befreit werden können, sofern eine berufsspezifische Tätigkeit vorliegt.
Normenkette
SGB VI § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; Hess. HeilBerG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 5a Abs. 1; BApO § 2 Abs. 1, 3; AApprO § 2 Abs. 2; AMG § 2 Abs. 1, 3 Nr. 7; ApoG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. September 2015 abgeändert.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 29. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2014 verpflichtet, den Kläger ab dem 20. Dezember 2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht.
Der 1956 geborene Kläger ist approbierter Apotheker und seit dem 11. Dezember 1984 Pflichtmitglied der Landesapothekerkammer Hessen (Beigeladene zu 1.) und seit dem 1. Januar 1985 des Versorgungswerkes der Landesapothekerkammer Hessen (Beigeladene zu 3.).
Seit 1984 war der Kläger als Apotheker im öffentlichen Dienst, in pharmazeutischen Unternehmen und als selbstständiger Apotheker in öffentlichen Apotheken tätig.
Mit Bescheid vom 21. Februar 1985 sprach die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) mit Wirkung ab 1. Januar 1985 aus.
Der Kläger ist seit 1. Oktober 2009 für die Firma C. (Beigeladene zu 2.) als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen sowie als Qualitätsmanagementbeauftragter tätig.
Die Beigeladene zu 2. entwickelt und validiert Dampf-, Formaldehyd-, Ethylenoxid- und Wasserstoffperoxid-Sterilisationsprozesse zur Aufbereitung von Medizinprodukten (z.B. von Operationsbestecken). Sie produziert biologische und chemische Indikatoren sowie Prüfkörper für die Sterilisationsüberwachung, stellt Dokumentationsetiketten mit Behandlungsindikatoren her und entwickelt und fertigt Indikatoren für die Überwachung von maschinellen Reinigungsprozessen für Medizinprodukte.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) im August 2012 wurde festgestellt, dass die Beigeladene zu 2. für den Kläger keine Rentenversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt hat. Ein Prüfverfahren schloss sich an. Der Kläger legte im Rahmen seiner Anhörung am 7. Juni 2012 einen befristeten Anstellungsvertrag vom 26. September 2009 und einen inhaltsgleichen Anschlussvertrag vom 15. Juni 2010 sowie eine Stellenbeschreibung vor, in der die Aufgaben im Einzelnen beschrieben sind.
Als benötigte Qualifikation ist angegeben: "Apotheker oder gleichwertige Qualifikation mit langjähriger Berufserfahrung".
Im Einzelnen werden die Aufgaben des Klägers wie folgt beschrieben:
- Übernahme der Funktion des Sicherheitsbeauftragten für Medizinprodukte und des Medizinprodukteberaters gemäß §§ 30 und 31 MPG
- Registrierung und Inverkehrbringen von Medizinprodukten gemäß einschlägiger EU-Richtlinien inkl. Klassifizierung und Konformitätsverfahren
- Meldung von Vorkommnissen und Rückrufen nach Maßgabe der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV)
- Einbindung aller Regeln zu Medizinprodukten in das C.-Qualitätssystem
- Sicherstellung der Konformität der C.-Indikatoren mit den Arzneibuchanforderungen (EuAB und andere Arzneibücher)
- Erstellung von Fachinformationen und Produktinformationen für alle C. (Medizin)-Produkte
- Beantwortung von Kundenanfragen zum Thema Aufbereitung, Sterilisationsverfahren etc. und Mitarbeit an Fachvorträgen
Außerdem nahm der Kläger Bezug auf Stellungnahmen der Beigeladenen zu 1. und 3. vom 6. Juni 2012 und der Beigeladenen zu 2. vom 8. Juni 2012; darin wies sein Arbeitgeber darauf hin, dass nur der Kläger aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung in der Lage sei, die geforderten Aufgaben zu erfüllen.
Am 20. Dezember 2012 beantragte der Kläger - vorsorglich - die Befreiung von der Re...