Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Schiedsverfahren. Entscheidung über regionalen Zu- oder Abschlag nach § 87a Abs 2 S 2 SGB 5. Grundsatz der Vorjahresanknüpfung. Amtsermittlungsgrundsatz. prospektive Schätzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch für die Entscheidung über einen regionalen Zu- oder Abschlag nach § 87a Abs 2 S 2 SGB V gilt der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung.

2. Im Schiedsverfahren nach § 89 Abs 1 SGB V gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nur in eingeschränktem Umfang.

3. Auch bei einem Vorgehen im Wege der prospektiven Schätzung genügt das Schätzungsergebnis nur dann rechtsstaatlichen Anforderungen, wenn bei der Schätzung an in der Vergangenheit liegende tatsächliche Umstände angeknüpft wird, welche zur Grundlage der Schätzung gemacht werden und die ihr Ergebnis bei rationaler Betrachtung rechtfertigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.11.2017; Aktenzeichen B 6 KA 42/16 R)

 

Tenor

Ziffer 3 des Schiedsspruchs des Beklagten vom 16. Oktober 2013 wird aufgehoben, soweit darin der regionale Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für das Jahr 2013 um 1,1 % erhöht worden ist und der Beklagte wird verpflichtet, über die Erhöhung des regionalen Punktwertes bis zu einem Umfang von 1,1 % unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene haben jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klage richtet sich gegen die Entscheidung des Beklagten in dessen Schiedsspruch vom 16. Oktober 2013, den regionalen Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für 2013 um 1,1 % zu erhöhen.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2013, bei dem Beklagten am 21. Mai 2013 eingegangen, erklärte die Beigeladene das Scheitern der Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Honorarvertrags gemäß § 87 a SGB V für das Jahr 2013. Eine Einigung habe in den Verhandlungen am 11. Dezember 2012, 15. Januar 2013 und 30. April 2013 nicht erzielt werden können. Sie beantragte eine Festsetzung des Inhalts des Honorarvertrages durch den Beklagten.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2013 konkretisierte die Beigeladene ihren Antrag dahingehend, dass sie einen konkreten Vertragstext beifügte und forderte, den Inhalt des Honorarvertrages entsprechend festzusetzen. U.a. verlangte sie, den regionalen Punktwert gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V für das Jahr 2013 um 3,084% zu erhöhen, was sie mit den regionalen Besonderheiten der Kosten- und Versorgungsstruktur der ärztlichen Praxen in Hessen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt begründete. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt der Antragsbegründung vom 11. Juli 2013, Bl. 22 bis 26, verwiesen.

Die Kläger forderten mit Antragserwiderung vom 15. August 2013, die Anträge der Beigeladenen zurückzuweisen. Hinsichtlich des regionalen Punktwerts trugen sie vor, dieser sei in Höhe des Orientierungswerts festzusetzen, da es keine regionalen Sonderentwicklungen gebe, die einen Zuschlag rechtfertigten. Wegen der vorgebrachten Argumente wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 15. August 2013, Bl. 40 bis 64, Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 30. September 2013 lud der Beklagte die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2013.

Mit Schriftsätzen vom 9. Oktober 2013 (Beigeladene) und 15. Oktober 2013 (Kläger) nahmen die Beteiligten zu der Frage der Erhöhung des regionalen Punktwertes weiter Stellung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 7 und 8 des Schriftsatzes vom 9. Oktober 2013 sowie Bl. 12 bis 21 des Schriftsatzes vom 15. Oktober 2013 verwiesen.

Bezüglich des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 16. Oktober 2013 Bezug genommen.

Mit Schiedsspruch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2013 beschloss der Beklagte unter Ziffer 3 des Schiedsspruchs, den regionalen Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für 2013 um 1,1 % zu erhöhen; den Antrag auf weitergehende Erhöhung lehnte er ab. Die weiteren Anträge der Beigeladenen lehnte er unter Ziffer 1 und 2 des Schiedsspruchs ganz (Ziffer 1) oder teilweise (Ziffer 2) ab. Unter Ziffer 4 des Schiedsspruchs gab er den Vertragsparteien auf, auf der Grundlage der vorstehenden Festsetzungen mit dem Ziel einer Gesamteinigung über den Honorarvertrag für das Jahr 2013 zu verhandeln und dem Landesschiedsamt bis zum 8. November 2013 das Ergebnis in Form eines Einigungs-/Nichteinigungsprotokolls mitzuteilen.

Zur Begründung seiner Entscheidung unter Ziffer 3 führte er aus, den gemäß § 87a Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V von den Vertragsparteien auf Landesebene zu vereinbarenden (regionalen) Punktwert, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Jahre 2013 anzuwenden sei, habe er im Vergleich zu dem des Jahres 2012 um 2% erhöht. Er sei dabei von dem im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen vom Erweiterten Bewertungsausschuss in dessen 30. Sitzung am 15./30. August 2012 gemäß § 87 Abs. 2e SGB V festgelegten bundeseinheitliche...

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