Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Rückforderung überzahlter Rentenleistungen von den Erben des Rentenempfängers. Zulässigkeit der Auswahl eines Rückforderungsschuldners bei einer Erbengemeinschaft

 

Orientierungssatz

Wurde nach dem Tod eines Rentenbeziehers die Rente zunächst weiter gezahlt, kann der Rentenversicherungsträger die Erstattungsforderung aus der Überzahlung gegenüber den Erben als Nachlassforderung geltend machen. Besteht eine Erbengemeinschaft, haften die Erben als Gesamtschuldner, sodass die Forderung durch den Rentenversicherungsträger gegen jeden einzelnen der Erben geltend gemacht werden kann. Dabei kommt dem Rentenversicherungsträger im Rahmen pflichtgemäß ausgeübten Ermessens innerhalb der Rückforderungsentscheidung ein Auswahlrecht in Bezug auf den Rückforderungsschuldner zu.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten zu Unrecht gezahlte Rentenversicherungsbeträge zurückzuerstatten.

Die Klägerin und ihr Halbbruder sind Erben der 1931 geborenen und 2005 verstorbenen B. B. Diese war die Witwe des 2001 verstorbenen Versicherten C. B. Sie erhielt aus der Versicherung des C. B. durch Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2002 große Witwenrente ab 1. Juli 2001. Im September 2005 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass B. B. am xx. xxx 2005 verstorben sei. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Einstellung der Witwenrente, die schließlich noch bis Oktober 2005 gezahlt wurde. Überzahlt wurden zweimal 432,17 € (= 864,34 €). Diesen Betrag forderte die Beklagte von der Empfängerbank der Witwe in Kroatien zurück. Die Bank teilte daraufhin mit, dass der Betrag am Zahlungsautomaten vom Sohn der Witwe (= Halbbruder der Klägerin) für die Beerdigungskosten abgehoben worden sei. Auf weitere Anfrage teilte die Empfängerbank mit, die Geldbeträge seien am Bankautomaten mit der PIN-Nummer abgehoben worden. Außer der Witwe selbst habe keiner Vollmacht für das Konto gehabt. Die Bank legte eine Aufstellung der am Bankautomaten erfolgten Abhebungen in der Zeit vom 2. August bis 9. November 2005 vor. Mit Schreiben vom 27. April 2006 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, die überzahlte Rente in Höhe von 864,34 € von ihr als Erbin zurückzufordern. Die Klägerin erklärte hierauf, mit der Beteiligung an der Rückzahlung habe sie nichts zu tun. Sie wohne in Deutschland, ihre Mutter habe in Kroatien gelebt. Sie sei zwar neben ihrem Halbbruder zusammen Erbin geworden. Geerbt habe sie jedoch nur Immobilien, aber kein Geld. Mit Bescheid vom 26. Mai 2006 forderte die Beklagte von der Klägerin die in der Zeit vom 1. September bis 31. Oktober 2005 aus der Versicherung des C. B. gewährte Hinterbliebenenrente in Höhe von 864,34 € zurück. Hiergegen richtete sich die Klägerin mit Widerspruch, dem sie einen notariellen Erbschein vom 12. Dezember 2005 beifügte. Hierin wird festgestellt, dass der Nachlass der verstorbenen B. B. aus Liegenschaften und beweglichem Vermögen bestehe. Aufgeführt wurde auch ein Bankkonto bei der E. Banka E-Stadt. Das Vermögen der Erblasserin bestehe aus Liegenschaften in F-Stadt und aus beweglichem Vermögen in Form nicht gezahlter Rente sowie Geld auf den Konten der Bank. Zu Erben seien die Klägerin und ihr Halbbruder D. B. je zu ½ eingesetzt worden. Diese hätten das Erbe angetreten und ihren Erbteil angenommen. Das Erbe sei in gleiche Teile zwischen beiden aufgeteilt worden.

Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 12. Juli 2006 den Bruder der Klägerin an zu ihrer Absicht, von ihm den Betrag in Höhe von 864,34 € zurückzufordern, und verlangte mit Bescheid vom 18. August 2006 von diesem als Miterbe die Erstattung des benannten Betrages auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 Satz 4 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI).

Mit Bescheid vom 27. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, sie habe gegenüber der Klägerin gemäß § 118 Abs. 4 SGB VI einen Rückforderungsanspruch. Die Klägerin könne Vertrauensschutz nicht geltend machen. Sie habe gewusst, dass die Witwe eine Hinterbliebenenrente bezogen habe. Ihr Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der bezogenen Geldleistung sei nicht schutzwürdig. Die Entscheidung, die überzahlte Rente zurückzufordern, sei nach Überzeugung der Beklagten zweck- und sachgerecht.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 24. Oktober 2006 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie trug vor, sie habe kein Geldvermögen geerbt. Mit der Hinterbliebenenrente der Witwe habe sie nie etwas zu tun gehabt. Von der Überzahlung und der angeblichen Abhebung des Geldes vom Geldautomaten habe sie von der Beklagten erfahren. Lediglich aus der Vermutung, dass die Rentenzahlungen auch nach dem ...

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