Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. psychologischer Psychotherapeut. Honorierung probatorischer Sitzungen. Höhe des Punktwertes mindestens 2,56 Cent
Leitsatz (amtlich)
1. Probatorische Sitzungen gehören zum Kern des Leistungsspektrums der Psychotherapeuten, sind strikt zeitgebunden aber nicht genehmigungspflichtig und daher einer Leistungsausweitung zugänglich. Sie sind Grundlage für die Diagnose und die Entscheidung über die Behandlungsbedürftigkeit und die Behandlungsmethode.
2. Probatorische Sitzungen sind substanziell zu honorieren, innerhalb des Regelleistungsvolumens mit einem Punktwert von mindestens 2,56 Cent (Anschluss an BSG vom 8.2.2012 - B 6 KA 14/11 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 69).
3. Soweit probatorische Sitzungen wegen Überschreitung des Regelleistungsvolumens mit einem unteren Punktwert von unter 2,56 Cent vergütet werden, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
SGB V § 85 Abs. 4 Sätze 1, 4, 7, Abs. 4a S. 1, Abs. 3 S. 2, § 92 Abs. 6a S. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21. März 2012 geändert. Die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis I/06 werden aufgehoben, soweit damit die probatorischen Sitzungen (GO-Nr. 35150 EBM plus) innerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV) nicht mindestens mit einem oberen Punktwert von 2,56 Cent vergütet werden. Die Beklagte wird insoweit zur Neubescheidung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats verpflichtet. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Punktwertes für probatorische Sitzungen in den Quartalen II/05 bis I/06.
Der Kläger nimmt als psychologischer Psychotherapeut mit Praxissitz in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er gehört der Honoraruntergruppe 2.25 an. In den streitgegenständlichen Quartalen ergaben sich aus den von der Beklagten erlassenen Honorarbescheiden ursprünglich folgende Abrechnungswerte:
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II/05 |
III/05 |
IV/05 |
I/06 |
Abgerechnetes Honorarvolumen - in Punkten |
44.330,0 |
41.715,0 |
71.715,0 |
70.200,0 |
Praxisbezogenes RLV (PK + EK) |
40.814,7 |
33.3312,0 |
45.678,1 |
60.659,5 |
RLV-Fallzahl |
37 |
30 |
41 |
55 |
Rechnerischer Fallpunktwert (in Punkten) |
1.103,1 |
1.110,4 |
1.114,1 |
1.102,9 |
Überschreitung RLV |
3.515,3 |
8.403,0 |
26.036,9 |
9.540,5 |
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Honoraranforderung oberer Pw (PK - in Punkten) |
24.521,4 |
14.110,9 |
22.144,7 |
33.611,4 |
Honoraranforderung oberer Pw (EK - in Punkten) |
16.293,2 |
19.201,0 |
23.533,3 |
27.048,0 |
Honoraranforderung unterer Pw (PK - in Punkten) |
2.113,6 |
3.559,1 |
12.625,3 |
5.283,6 |
Honoraranforderung unterer PW (EK - in Punkten) |
1.401,8 |
4.844,0 |
13.411,7 |
4.257,0 |
Psychotherapie zum festen Pw (PK - in Punkten) |
118.105,0 |
95.680,0 |
106.145,0 |
215.255,0 |
Psychotherapie zum festen Pw (EK - in Punkten) |
97.175,0 |
77.740,0 |
122.590,0 |
153.935,0 |
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Honorar oberer Pw (PK) - in € |
481.83 |
281,52 |
278,51 |
450,40 |
Honorar oberer Pw (EK) - in € |
347,05 |
419,92 |
318,48 |
423,83 |
Honorar unterer Pw (PK) - in € |
10,42 |
17,55 |
0,00 |
26,10 |
Honorar unterer PW (EK) - in € |
6,97 |
24,07 |
0,00 |
21,20 |
Honorar Psychotherapie zum festen Pw (PK) - in € |
5.515,51 |
4.468,26 |
4.956,97 |
10.052,42 |
Honorar Psychotherapie zum festen Pw (EK) - in € |
4.567,24 |
3.653,79 |
5.761,75 |
7.234,98 |
Auffüllbetrag gem. 7.5 HVV - in € |
60,41 |
-245,51 |
23,33 |
-62,24 |
Nettohonorar - in € |
10.683,37 |
8.378,09 |
11.010,42 |
17.936,21 |
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Fallzahl (gesamt) |
37 |
30 |
47 |
55 |
Anzahl Probatorische Sitzungen (GO-Nr. 35150) |
11 |
18 |
20 |
9 |
Der Kläger legte jeweils Widersprüche gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis IV/08 ein. Mit Schreiben vom 11. April 2010 konkretisierte er seine Widerspruchsbegründung dahingehend, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2008, Az.: B 6 KA 9/07 R für den Geltungszeitraum der Regelleistungsvolumina in Hessen einen Mindestpunktwert vorgegeben habe, der jedoch seitens der Beklagten regelmäßig unterschritten worden sei.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2010 beschränkt auf die Quartale II/05 bis I/06 und beschränkt auf die Frage des Punktwertes für probatorische Sitzungen zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Höhe des Punktwertes für probatorische Sitzungen in den Quartalen II/05 bis I/06 nicht zu beanstanden sei. Eine Stützungsverpflichtung sei auf Grund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses nur für die antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen gegeben, so dass alle übrigen Leistungen mit den Quoten der Punktwerte der jeweiligen Honorargruppe zu vergüten seien. Insoweit habe auch das BSG bisher die Notwendigkeit für eine Stützung des Punktwertes für andere Leistungen ausdrücklich verneint. Hinsichtlich der Vergütung der probatorischen Sitzungen habe das BSG jedoch ausgeführt, dass diese zwar nicht mit dem Mindestpunktwert für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen vergütet würden aber gleichwohl unter Berücksichtigun...