Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. gerichtliche Überprüfung eines Schiedsspruchs zur Anhebung der Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Beurteilungsmaßstab. Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Willkürverbot des Art 3 Abs 1 GG. diskriminierende Vergütungsvereinbarung

 

Orientierungssatz

1. Beurteilungsmaßstab für das Zustandekommen eines rechtmäßigen Schiedsspruchs ist das aus Art 20 GG abgeleitete Recht auf ein faires Verfahren. In einem Schiedsverfahren, in dem die Schiedsperson ihre Entscheidung wesentlich auf die Angaben der Beteiligten zu stützen hat, können die zu beachtenden Verfahrensgarantien keine anderen sein als in einem Gerichtsverfahren.

2. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gilt auch für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a SGB 5. Dabei ist zu beachten, dass Kostensteigerungen bei den Leistungserbringern im Wesentlichen Personalkostensteigerungen sind (vgl BSG vom 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R = BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5). Will ein ambulanter Pflegedienst einen Anspruch auf vertragliche Vergütungserhöhungen begründen, so ist er darlegungs- und beweispflichtig.

3. Das Willkürverbot des Art 3 Abs 1 GG verbietet den Krankenkassen als grundrechtsverpflichteten Trägern öffentlicher Gewalt eine willkürlich ungleiche Vergütung vergleichbarer Leistungen.

4. Unterschiedliche Vergütungen für gleiche Leistungen sind nicht per se diskriminierend und gleichheitswidrig. Eine Diskriminierung bei Vergütungsvereinbarungen kommt infolgedessen nur dann in Betracht, wenn bei gleicher Ausgangsposition ohne jeden nachvollziehbaren Grund einem Teil der Anbieter eine Anpassung an gestiegene Kosten gewährt wird, einem anderen Teil aber nicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.06.2016; Aktenzeichen B 3 KR 26/15 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Berufungskläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind die Regelungen eines Schiedsspruchs zur Anhebung der Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) betreffend das Leistungserbringungsjahr 2010 streitig.

Die Kläger zu 1. bis 3. sind Verbände ambulanter Pflegedienste. Die ihnen angeschlossenen Pflegedienste erbringen in Hessen Leistungen der häuslichen Krankenpflege. In der Vergangenheit erhielten sie hierfür Vergütungen, die denjenigen Vergütungen entsprachen, die von den in der Liga der freien Wohlfahrtspflege (LIGA) organisierten Leistungserbringern mit den gesetzlichen Krankenkassen ausgehandelt worden waren. Nachdem der zwischen der LIGA und den Krankenkassen im Jahr 1996 geschlossene Rahmenvertrag über die häusliche Krankenpflege in Hessen (Rahmenvertrag LIGA 1996) zum 31. Dezember 2001 gekündigt worden war, kam es für die Mitglieder der LIGA wie für die den Klägern angeschlossenen Pflegedienste über mehrere Jahre hinweg zu keiner allgemeinen Vergütungssteigerung mehr. Erst zum 1. Januar 2005 schlossen die Verbände der LIGA mit den Kassen einen neuen Rahmenvertrag (Rahmenvertrag LIGA 2005), der allerdings keine Einigung über die für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu entrichtende Vergütung enthielt. In der Folge kam es deshalb zu mehreren von der LIGA angestrengten Schiedsverfahren, die jeweils in Schiedssprüchen der Schiedsperson H. mündeten. Dieser hob die Vergütung der dem Rahmenvertrag LIGA 2005 beigetretenen Leistungserbringer für alle Leistungen der häuslichen Krankenpflege einschließlich der Hausbesuchspauschale zum 1. Juli 2007 gegenüber der bis dahin geltenden Vergütung um 5,98 %, zum 1. Januar 2009 um weitere 3,9 %, zum 1. Januar 2010 um weitere 2,0 %, zum 1. Januar 2011 um weitere 1,2 % und zum 1. Januar 2012 bzw. (in Bezug auf die Hausbesuchspauschale) zum 1. März 2012 um weitere 2,9 % an. Der Schiedsspruch betreffend die Jahre 2007 und 2008 wurde letztinstanzlich durch das Bundessozialgericht bestätigt (Urteil vom 25. November 2010, B 3 KR 1/10 R). Der Schiedsspruch betreffend das Jahr 2009 war Gegenstand eines vor dem Sozialgericht Wiesbaden geführten Verfahrens (S 17 KR 310/10). Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 15. März 2013 den Schiedsspruch bestätigt; die Berufung der Krankenkassen gegen dieses Urteil ist Gegenstand des Urteils des Senats in der parallel verhandelten Sache L 8 KR 264/13. Die die nachfolgenden Schiedssprüche betreffenden Klagen vor dem Sozialgericht Wiesbaden wurden in Hinblick auf dieses Verfahren ruhend gestellt.

Zwischen den Klägern und den Beklagten kam es demgegenüber erst am 1. Mai 2006 zum Abschluss eines - bis heute gültigen - Rahmenvertrages über häusliche Krankenpflege (Rahmenvertrag LAG 2006). Der Vertrag bindet die beteiligten Krankenkassenverbände und Ersatzkassen auf der einen und die den Klägern angeschlossenen ambulanten Pflegedienste, soweit diese dem Vertrag beigetreten sind, auf der anderen Seite. Er enthält unter ande...

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