Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessenheit der Aufwendungen zur sozialen Sicherung aufgrund eines Versicherungsvertrages Versicherter, Verlustausgleich zwischen Arbeitslosen und ihrem Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine private Versicherung ist ihrer Höhe nach gem. § 138 Abs. 2 Nr. 2 AFG angemessen, wenn sie, gemessen am Einkommensstand des Versicherten ihm bei Eintritt des Risikofalles die Fortführung seines bisherigen sozialen Status ermöglicht.
2. Ob ein Verlustausgleich zwischen dem Arbeitslosen und seinem Ehepartner mit Wirkung für das Recht der Arbeitslosenhilfe zulässig ist, ist nicht abstrakt für alle Einkommens- und Verlust arten gleich, sondern von der jeweiligen Fallgestaltung her zu entscheiden, um Mißbräuche der Möglichkeit des Verlustausgleiches auszuschließen. Nach § 138 Abs. 2 AFG in der bis zum 31.07.1979 geltenden Fassung war ein Verlustausgleich nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Normenkette
AFG in der bis zum 31.07.1979 geltenden Fassung § 138 Abs. 2
Verfahrensgang
SG Gießen (Urteil vom 13.07.1978; Aktenzeichen S 5/Ar - 134/76) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. Juli 1978 wird zurückgewiesen. Auf die Klage wird der Bescheid der Beklagten vom 16. August 1979 abgeändert und die Beklagte verurteilt, Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Dezember 1975 bis zum 30. November 1976 in voller Höhe zu zahlen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Dezember 1975 bis zum 30. November 1976.
Die Klägerin erhielt vom 1. Juli 1975 bis zum 29. Dezember 1975 Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von zuletzt DM 355,– Am 17. Dezember 1975 stellte die Klägerin einen Antrag auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe. In dem Antrag gab sie an, sie habe Pachteinnahmen in Höhe von monatlich DM 360,36. Die Klägerin ist mit … K. verheiratet. Die Eheleute haben ein gemeinsames Kind, das 1961 geboren wurde. Der Ehemann der Klägerin ist seit dem 15. Juli 1974 für eine Bausparkasse selbständiger Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff. Handelsgesetzbuch.
Die Eheleute K. sind Eigentümer von Haus- und Grundbesitz zu je 1/2. Der Haus- und Grundbesitz umfaßt eine Wohnung, in der das Ehepaar mit dem gemeinsamen Kind lebte, eine kleine Imbißstube „Pilsstübchen”, eine Discothek und eine weitere Wohnung. Imbißstube, Discothek und die weitere Wohnung waren in den Jahren 1975 und 1976 verpachtet bzw. vermietet. 1975 betrieb der Ehemann der Klägerin zusammen mit seinem Bruder H. K. gemeinsam einen Minigolfplatz. Als Einkommensanteil für den Ehemann hat dieser DM 5.766,– angegeben.
Seit dem 1. Dezember 1976 betreibt der Ehemann der Klägerin die Gaststätte nach einem erfolgten Umbau selbständig. Seit diesem Zeitpunkt ist die Klägerin bei dem Ehemann in der Gaststätte angestellt.
Das Arbeitsamt Gießen lehnte mit Bescheid vom 19. Februar 1976 den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab. Zur Begründung wird unter anderem angeführt, daß die Klägerin nicht bedürftig sei (§§ 134 in Verbindung mit § 138 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)), da nach Abzug des Freibetrags das anzurechnende Einkommen des Ehemannes den Arbeitslosenhilfe-Satz von DM 154,80 wöchentlich übersteige.
Gegen den Ablehnungsbescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Dieser wurde durch Widerspruchsbescheid des Arbeitsamtes Gießen vom 11. Mai 1976 als unbegründet zurückgewiesen.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin am 18. Mai 1976 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ausweislich des inzwischen ergangenen Steuerbescheids 1975 hätten sich für sie Verluste aus Vermietung und Verpachtung ergehen. Diese seien von den Einkünften ihres Ehemannes abzusetzen. Ebenso seien die in der Steuererklärung für 1975 erklärten Ausgaben für Beiträge zur privaten Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung in Höhe von jährlich insgesamt DM 8.145,– als angemessene Aufwendungen zur sozialen Sicherung von den Einkünften ihres Ehemannes abzusetzen. Die Beklagte hat vorgetragen, die Verluste aus gemeinsamer Vermietung und Verpachtung könnten vom Einkommen des Ehemannes der Klägerin nur zur Hälfte in Abzug gebracht werden. Die für Kranken-, Lebens-, Unfall- und Haftpflichtversicherung im Jahr 1975 aufgewendeten Beträge seien im Verhältnis zu den vom Finanzamt anerkannten Einkünften unangemessen hoch und könnten deshalb nicht voll abgesetzt werden.
Das Sozialgericht Gießen hat mit Urteil vom 13. Juli 1978 den Bescheid vom 19. Februar 1976 und den Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1976 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Verluste aus Vermietung und Verpachtung des gemeinsamen Grundbesitzes der Eheleute vom Einkommen des Ehemannes abgesetzt werden dürften und daß auch die Beiträge für die Versicherungen voll abgesetzt werden dürften, da gerade in Zeiten, in denen das Einkommen durc...