Das Urteil ist rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.05.1990; Aktenzeichen S-5/Ka-3458/87)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main Main vom 16. Mai 1990 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Juni 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1987 verpflichtet, über den Antrag des Klägers zur Einrichtung einer Zweigpraxis in … unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Eröffnung einer Zweigpraxis im Ortsteil … der Gemeinde … im Landkreis Gießen zu genehmigen.

Der Kläger ist seit 1978 als praktischer Arzt in der Gemeinde … niedergelassen und dort zur kassen- und vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Der allgemeinärztliche Planungsbereich … grenzt im Osten an den Planungsbereich Rabenau, zu dem die Ortsteile dieser Gemeinde, Londorf, Rüddingshausen (ca. 1.000 Einwohner) und Geilshausen gehören. Südöstlich liegt der Planungsbereich der Stadt Grünberg, zu dem u.a. auch der Stadtteil Weitershain gehört.

Die Bedarfspläne für die genannten allgemein-ärztlichen Planungsbereiche weisen für 1987 und 1990 folgende Daten aus:

1987

1990

Ist

Soll

Ist

Soll

Allendorf (Lumda)

1

1,3

1

2

Rabenau

2

1,8

2

2

Grünberg

6

5

In Rabenau-Geilshausen war die praktische Ärztin … niedergelassen. Deren Praxis wurde von der Ärztin … übernommen. In Rabenau-Londorf übt seit Februar 1987 der praktische Arzt … und in Grünberg-Weitershain die praktische Ärztin … ihre kassenärztliche Tätigkeit aus.

Nach seinen eigenen – unbestritten gebliebenen – Angaben rechnete der Kläger im Quartal ca. 300 Behandlungsscheine von Einwohnern des Ortsteils Rüddingshausen der Gemeinde Rabenau ab. Die Gesamtfallzahl des Klägers im ersten Quartal 1987 betrug 1.951; auch in den Folgequartalen bis heute erreichte die Gesamtfallzahl ungefähr diese Höhe.

Der Kläger hatte bereits 1980 die Eröffnung einer Zweigpraxis in Rüddingshausen beantragt gehabt. Dieser Antrag war seinerzeit von der Beklagten abgelehnt worden.

Unmittelbar nach seiner Niederlassung beantragte … die Zulassung einer Zweigpraxis in Rüddingshausen. Diese Genehmigung wurde erteilt.

Gleichzeitig mit … beantragte auch der Kläger die Genehmigung zur Eröffnung einer solchen Zweigpraxis. Seinen Antrag vom 11. April 1987 lehnte der Vorstand der Bezirksstelle Gießen der Beklagten durch Bescheid vom 1. Juni 1987 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Genehmigung zur Abhaltung einer Zweigsprechstunde könne nur dann erteilt werden, wenn eine Lücke in der Versorgung vorhanden sei, die nicht anderweitig ausgefüllt werden könne. Die Versorgung sei jedoch durch die gegenüber … genehmigte Zweigpraxis in Rabenau-Rüddingshausen bereits gewährleistet, so daß ein Bedürfnis zur Abhaltung einer Zweigsprechstunde durch den Kläger nicht bestehe. Überdies müßte der Kläger den Kassenarztsitz Rabenau-Londorf durchfahren, um Rüddingshausen erreichen zu können. Bei der getroffenen Entscheidung seien im übrigen auch die Entfernung zwischen dem Kassenarztsitz des Klägers und Rüddingshausen sowie die Verkehrsverhältnisse berücksichtigt worden.

Noch während des Antragsverfahrens hatte sich die Beklagte an Frau … mit der Antrage gewandt, ob diese ebenfalls in Rüddingshausen eine Zweigpraxis eröffnen wolle. Ein daraufhin von Frau … gestellter Antrag wurde von der Beklagten genehmigt.

Seit Oktober 1988 halten Frau … bzw. ihre Praxisnachfolgerin Frau … und … in gemeinschaftlich angemieteten Räumen zu unterschiedlichen Zeiten in Rüddingshausen Außensprechstunden ab.

Gegen den ihn betreffenden Ablehnungsbescheid vom 1. Juni 1987 legte der Kläger Widerspruch ein. Er begründete diesen Widerspruch u.a. damit, der Hinweis, wonach er nach Rüddingshausen durch einen anderen Kassenarztsitz fahren müsse, vermöge die Ablehnung nicht zu rechtfertigen. Es gebe zahlreiche Fälle, in denen die Beklagte in der Vergangenheit von dieser Verfahrensweise abgewichen sei. Ohnehin ergebe sich die Notwendigkeit der Durchfahrung von Rabenau-Londorf nicht zwangsläufig, da er auch Patienten z.B. in Wermertshausen betreue und von dort aus Rabenau-Rüddingshausen unmittelbar erreicht werden könne. Wenn ein Bedarf in Rüddingshausen nach Meinung der Beklagten nicht mehr gegeben sei, dann sei dies in erster Linie darauf zurückzuführen, daß … insoweit die Genehmigung für eine Zweigpraxis erhalten habe. Darauf könne sich die Beklagte indes in diesem Zusammenhang nicht berufen. Schließlich sei auch darauf hinzuweisen, daß der Ortsvorsteher von Rüddingshausen eine volle Arztstelle beantragt habe, was gleichfalls auf einen Bedarf hindeute. Dieser Bedarf werde bisher zum größten Teil von ihm selbst abgedeckt. Aus Rüddingshausen kämen etwa ein Viertel bis ein Drittel aller seiner Patienten. Sein Praxis Sch...

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