Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Versorgung eines Versicherten mit einem angepassten Bürostuhl als Teilhabeleistung am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger
Orientierungssatz
1. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind nach § 9 Abs. 1 SGB 6 vom Rentenversicherungsträger dann zu erbringen, wenn eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten aufgrund von Krankheit oder Behinderung besteht. Dabei ist der Begriff der Erwerbsfähigkeit des Versicherten als deren Fähigkeit zu verstehen, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können (BSG Urteil vom 29. 3. 2006, B 13 RJ 37/05 R).
2. Als weitere kumulativ zu erfüllende Voraussetzung muss nach § 10 Abs. 1 Nr. 2a SGB 6 voraussichtlich bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit deren Minderung durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden können. Genügt zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit bei bestehenden orthopädischen Beeinträchtigungen ein handelsüblicher ergonomischer Bürostuhl, so ist eine Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers ausgeschlossen. Nur ein spezieller orthopädischer Bürostuhl wird von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erfasst.
3. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse nach § 16 SGB 6 i. V. m. § 33 Abs. 8 Nr. 5 SGB 9 ist gleichfalls ausgeschlossen, wenn die Ausstattung des Home-Office des Versicherten mit einem angepassten Bürostuhl zur Berufsausübung nicht erforderlich ist.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einem orthopädischen Bürostuhl auszustatten bzw. hierfür einen Zuschuss zu leisten.
Die 1968 geborene Klägerin ist ausgebildete Rechtsanwalts- und Notargehilfin. In den Jahren 1992 bis 2009 war sie im erlernten Beruf tätig. Seit dem 1. Juni 2009 arbeitet die Klägerin bei der C. GmbH als Schulungsreferentin für juristische Software und seit dem 1. Januar 2015 als Vertriebsmitarbeiterin. Ihre Vollzeittätigkeit verrichtet die Klägerin nach ihren Angaben zu 80 % im Innendienst und zu 20 % im Außendienst.
Am 12. September 2014 stellte die Klägerin Antrag auf Übernahme der Kosten für einen orthopädischen Bürostuhl im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Bürostuhl solle eine rückenstärkende Sitzfläche (beweglich gelagert) und eine Rückenlehne, die die Wirbelsäule unterstütze (Lordosestütze), haben. Dem Antrag war ein ärztlicher Befundbericht der Praxis für Orthopädie und Sportmedizin D. (Dr. E., Facharzt für Orthopädie) vom 4. September 2014 beigefügt.
Durch Bescheid vom 17. September 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die beantragte Teilhabeleistung lägen nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen sei ein Bürostuhl, der den speziellen orthopädischen bzw. neurologischen Bedürfnissen Rechnung trage, für die weitere berufliche Tätigkeit als Rechtsanwaltsfachangestellte nicht erforderlich. Ausreichend sei ein ergonomischer Bürostuhl nach den gesetzlichen Vorschriften. Der Arbeitgeber der Klägerin sei zu dieser Ausstattung verpflichtet.
Die Klägerin erhob Widerspruch am 19. Oktober 2014 und trug vor, ein ergonomisch geformter Bürostuhl sei auch nach Auffassung ihres behandelnden Orthopäden nicht ausreichend. Vielmehr benötigten ihre Bandscheiben mehr Unterstützung. Darüber hinaus übe sie den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten schon seit Jahren nicht mehr aus. Sie sei als Schulungsreferentin tätig und habe eine ausschließlich sitzende Tätigkeit, zu der noch lange Anfahrtszeiten im Auto hinzukommen würden. Ergänzend legte die Klägerin Atteste der Praxis D. (Dr. E.) vom 12. März 2015 und 7. Mai 2015 vor. Dr. E. vertrat die Auffassung, ein ergonomischer Bürostuhl sei für die Klägerin nicht ausreichend, vielmehr benötige sie einen beweglichen, speziellen Bürostuhl. Dieser müsse über folgende Eigenschaften verfügen: Bioswing 3 D-Sitzwerk, Lumbalstütze verstellbar, TrainBackMatic Synchronmechanik, Rückendruckeinstellung 50 bis 150 kg, höhen- und neigungsverstellbare Rückenlehne, Permanentkontakt-Rückenlehne, arretierbar und stufenlos einstellbar, Sitzneigungsverstellung, Sitztiefenverstellung, Sitzhöhenverstellung.
Durch Widerspruchsbescheid vom 17. August 2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus, die Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen habe ergeben, dass die Klägerin nach Art und Schwere ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht auf einen orthopädischen Bürostuhl angewiesen sei. Ausreichend sei bei der ausgeübten Tätigkeit als Schulungsreferentin die gesetzlich vorgeschrie...