Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 07.05.1998; Aktenzeichen S 12 AL 671/95) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld.
Der im Jahre 1961 geborene Kläger nahm vom 1. September 1992 bis zum 25. August 1994 an einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation (Ausbildung zum landwirtschaftlichtechnischen Assistenten) teil. Während der Maßnahme bezog er von der Beklagten Übergangsgeld. Am 1. September 1994 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Dabei gab er als Wohnanschrift die A-Straße in A-Stadt an. Die Beklagte stellte zunächst fest, dass der Kläger noch Anspruch auf Anschluss-Übergangsgeld nach § 59d Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) habe und bewilligte dementsprechend diese Leistung bis zum 27. September 1994. Der Bewilligungsbescheid kam mit dem Vermerk “unbekannt verzogen” zurück, obwohl, wie das Einwohnermeldeamt Ludwigshafen aufgrund eines Ersuchens der Beklagten vom 30. September 1994 mitteilte, der Kläger nach wie vor unter der angegebenen Anschrift A-Straße in A-Stadt polizeilich gemeldet war.
Am 11. November 1994 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes. In diesem Zusammenhang erklärte er, dass er unter der bekannten Anschrift bei seiner Schwester (bei B…) zur Untermiete wohne. Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld ab 11. November 1994, lehnte jedoch durch Bescheid vom 11. November 1994 den Antrag des Klägers auf Arbeitslosengeld vom 1. September 1994 ab. Anspruch auf Leistungen habe nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da er unter der im Antrag angegebenen Adresse postalisch nicht erreichbar sei.
Mit Schreiben vom 11. November 1994 unterrichtete das Postamt Ludwigshafen die Beklagte davon, dass der Kläger im Postamt vorstellig geworden sei und mitgeteilt habe, dass an ihn adressierte Briefe mit dem Vermerk “unbekannt verzogen” wieder an das Arbeitsamt zurückgeschickt worden seien. Es habe sich nach näherem Befragen herausgestellt, dass der Kläger wohl unter der Anschrift A-Straße in A-Stadt gewohnt habe und auch jetzt noch dort wohne, dass vorübergehend jedoch das Namensschild nicht am Briefkasten gewesen sei. Es habe sich entweder abgelöst oder sei von Unbefugten entfernt worden. Dem Stammzusteller sei der Wohnsitz des Klägers natürlich bekannt gewesen; eine Aushilfe, die nur vorübergehend in dem Bezirk eingesetzt gewesen sei, habe die an den Kläger gerichtete Post ohne Namenhinweis aber nicht zustellen können und die Sendungen richtigerweise “abgeschrieben”, obwohl der Kläger nach wie vor dort wohne. Die Aushilfskraft habe diese Umstände nicht wissen können.
Insbesondere unter Hinweis auf dieses Schreiben des Postamts Ludwigshafen erhob der Kläger gegen den die Zahlung von Arbeitslosengeld ablehnenden Bescheid vom 11. November 1994 Widerspruch. Wie aus der Mitteilung des Postamtes hervorgehe, sei er grundsätzlich postalisch erreichbar gewesen. Für die eingetretenen Umstände trage er keine Schuld. Er habe sie weder fahrlässig, grob fahrlässig noch absichtlich herbeigeführt. Ergänzend führte er aus, dass ihm erstmals Ende September 1994 aufgefallen sei, dass das Namensschild abgerissen gewesen sei. Nachdem es unverzüglich wieder angebracht worden sei, habe es ein zweites Ereignis Mitte Oktober 1994 und schließlich eine drittes Ereignis Mitte November 1994 gegeben. Gegen den geständigen Täter sei Strafanzeige erstattet worden. Mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 bestätigten J… und M… B…, dass Ende September 1994 das an ihrem Briefkasten befestigte Namensschild des Klägers erstmals unerlaubt entfernt worden sei. Der genaue Zeitpunkt sei nicht nachvollziehbar, dürfte allerdings einen Zeitraum von einer Woche nicht überschritten haben. Dieser Vorgang habe sich nochmals Mitte Oktober sowie Ende November 1994 wiederholt, wobei sich herausgestellt habe, dass der Mitbewohner J… B… jeweils das Namensschild entfernt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die Zeit bis zum 27. September 1994 ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 AFG, weil dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Übergangsgeld zuerkannt sei. Gemäß § 100 Abs. 1 AFG habe Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung im Sinne des § 103 AFG zur Verfügung stehe. Nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 dieser Vorschrift sei erforderlich, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen könne und für das Arbeitsamt erreichbar sei. Nach § 1 Satz 1 der Aufenthalts-Anordnung müsse das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit des Ar...